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Obama unter DruckKrieg in Afghanistan, oder nicht?

Während die Republikaner mehr Truppen in Afghanistan fordern, drängen Demokraten zum Rückzug. Unterdessen wurden bei Gefechten acht US-Soldaten getötet.

Mehr oder weniger Truppen in Afghanistan? Obamas fehlende Entscheidung wertet die Opposition als Unischerheit. Bild: dpa

WASHINGTON taz | Am 8. Jahrestag der US-Intervention in Afghanistan wächst der Druck auf US-Präsident Barack Obama: Truppenaufstockung und gar Reduzierung - die Frage nach der richtigen Strategie am Hindukusch spaltet den Kongress. Die Republikaner dringen auf eine rasche Entscheidung über die kaum verhohlene Forderung von Isaf-Kommandeur Stanley McCrystal nach 40.000 zusätzlichen Truppen.

"Viele von uns denken, dass die Verzögerung in der Region nur Unsicherheit signalisiert", sagte der republikanische Führer im Repräsentantenhaus, Eric Cantor, nach einem Treffen von führenden Kongressabgeordneten mit Obama am Dienstag.

Im Rahmen seiner Beratungsrunden über die Lage in Afghanistan hatte der Präsident die Politiker beider Parteien im Weißen Haus empfangen. Canter sagte, die Republikaner würden Obama unterstützen, wenn er McCrystals Anforderung nach einer Truppenaufstockung nachkomme. "Aber wenn der Präsident einen anderen Weg geht, wird es für uns schwer, dies zu tun."

Scharfe Kritik erntete Obama von seinem ehemaligen Rivalen ums Präsidentenamt, dem Republikaner John McCain. "Die Zeit spielt nicht für uns", sagte McCain. "Wir müssen mit gebotener Eile handeln." Dem Sender CNN sagte McCain, mit Blick auf die Verstärkung der Soldaten in Afghanistan sei jeder Vergleich mit Vietnam falsch. Viel näher liege der geografische und strategische Vergleich mit dem Irak. Und dort habe eine Truppenaufstockung schließlich zum Erfolg geführt.

In Obamas eigener Partei hingegen wächst der Druck in die andere Richtung: Weniger Truppen oder ganz raus aus Afghanistan, meinen einige. Auch Obamas Vizepräsident Joe Biden stellt sich gegen eine Aufstockung der Truppen. Statt die Taliban-Aufständischen zu bekämpfen und die Regierung in Kabul dadurch zu schützen, sollten sich die amerikanischen Soldaten auf den Kampf gegen Al-Qaida-Terroristen konzentrieren, vor allem im Grenzgebiet zu Pakistan, meint Biden. Er möchte den Kern der US-Operation nach Pakistan verlegen und den Kampf von dort mit Spezialkräften und Drohnen fortsetzen.

Neue gewaltsamen Zwischenfälle heizen die Debatte weiter an. Erst am Samstag hatten schwerbewaffnete Aufständische in der östlichen Provinz Nuristan zwei US-Außenposten überfallen. Gestern berichteten US-Medien, dass es rund zwei- bis dreihundert schwerbewaffneten Aufständischen gelang, bis an die Grenzen des US-Camps vorzudringen.

Es war eines der verlustreichsten Gefechte für die USA seit Beginn des Krieges: Acht amerikanische Soldaten und zwei afghanische Sicherheitskräfte wurden getötet, 20 weitere Einheimische verschleppt. Wie ein Militärsprecher inzwischen einräumte, waren die Gefechte so heftig, dass die US-Truppen zeitweilig völlig "in sich zusammengebrochen" seien. Der Überfall habe gezeigt, wie ausgebrannt und schwach die US-Truppen seien.

Nach Angaben eines Nato-Sprechers konnten die US-Truppen den Angriff nur durch Luftangriffe zurückschlagen. Dabei seien mehr als hundert Aufständische getötet worden. In den acht Jahren des Einsatzes sind bereits 865 US-amerikanische Soldaten und 570 Soldaten verbündeter Truppen ums Leben gekommen. Auch der finanzielle Aufwand ist immens. Nach Schätzungen von Kongressmitarbeitern dürften sich die Kosten für den Krieg bald auf mehr als 300 Milliarden Dollar summieren.

In der US-amerikanischen Bevölkerung, die den Einsatz einst als den eigentlichen Krieg gegen der Terror befürwortet hat, wächst der Unmut. Und auch bei den Verbündeten sinkt die Unterstützung für den Einsatz. Das Parlament in Den Haag forderte am Dienstag mit breiter Mehrheit, den Einsatz der niederländischen Truppen nicht über das Jahr 2010 hinaus zu verlängern.

Seit 2006 sind etwa 1.400 niederländische Soldaten in Afghanistan. Sie zählen zu rund 35.000 Nato-Soldaten, die die derzeit gut 60.000 US-Truppen am Hindukusch unterstützen. Auch in Großbritannien schwindet die Unterstützung. Nach einer BBC-Umfrage lehnen 56 Prozent der Briten den Einsatz ab.

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4 Kommentare

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  • D
    DiversityAndEquality

    Der Kapitalismus braucht immer wieder Krieg und noch mehr Krieg und noch mehr Krieg und wird dafür auch stets eine "Rechtfertigung" gegenüber der gezielt traumatisierten breiten Masse finden.

     

    Obwohl letztere ja momentan auch in den USA klar GEGEN den Afghanistan-Krieg ist. Ich weiß, ich weiß, liebe @taz, die sind alle, wie die böse Linke in Deutschland, eben noch nicht in der "Realität" angekommen bzw. "nicht regierungsfähig", eben nicht "realo" genug!

     

    Na ja, nicht rein zufällig wird schon der nächste Krieg im Iran vorbereitet - noch wehrt sich Obama, aber wie lange kann er das durchhalten?

     

    Wer sich einbildet, Obama oder irgendein anderer Politiker sei in diesem Punkt "frei" in seinen Entscheidungen, hat noch nicht so ganz das System verstanden, in dem wir leben.

  • M
    mike.qu

    hey, frag mich auch was das soll dort. wenn 100 000 soldaten noch nicht reichen, dann ist das ein aufstand und die taliban , wer immer auch so tituliert wird, repräsentieren einen grossen teil der bevölkerung. offensichtlich sind es mehr als nur kleine terroristische gruppen. der westen kann kleine kämpfe gewinnen, aber wie definiert sich der sieg? nach wievielen toten sind die taliban ausgerottet? wie gesagt vor dem hintergrund, dass bereits 100000 soldaten dort sind. irgendwas stimmt da nicht an dem, was uns die oben erzählen. demokratie, frauenbefreiung?märchenstunde. deshalb, raus da.

  • PN
    Peace Nöhlke

    usa medien/ politik tendenz ist, auf die generäle

    zu hören, sonst kommt welle der kritik auf obama zu.

    der lässt keinen trend erkennen. der trend der gefütterten us-bevölkerung sagt +40 000 troops wie

    generalissimo, doch gab es bereits ne aufstockung von 20 000 dies jahr , oder nicht? angriffspunkte

    hben sich in dieser debatte noch nicht herauskristallisiert. cnn-globe disutierte heute über den deutschen ansatz(thw-ish), jedoch muss man wohl daheim verschweigen dass man brücken und strassen baut...

    biden war vorerst ne gute karte.

    ?p.s.: stimmt es, dass Nixon vom Militär vor vollendete tatsachen gestellt wurde, ihm gesagt wurde das mili. würde nicht mehr auf ihn hören sollte er nicht zurücktreten....?

  • L
    Laila

    Das ist Obamas letzte Möglichkeit, sich für einen Abzug der Interventionstruppen und Einleitung eines gesamtafghanischen Friedensprozesses zu entscheiden. Unter Enttabuisierung der Taliban in Pakistan und Afghanistan und Einbezug der Nachbarländer. Die Alternative, die ihm die Militärs vorschlagen, ist eine nicht zu überschauende und auch nicht mehr "einfach" rückgängig zu machende Entscheidung für Krieg. Sie würde die gesamte NATO, den Westen, in einen Krieg ohne absehbares Ende verwickeln. Mit nicht absehbaren zivilen Opfern. Da die Interventionstruppen von Beginn an kämpfende Taliban und Zivilbevölkerung nicht unterscheiden können, wird die Zahl der (zivilen)Toten, wie auch seit Beginn der US-Truppenerhöhung schon eingetreten, enorm ansteigen. Was ja sogar eingeplant ist. Und irgendwann kommt es-natürlich- zu Anschlägen im Westen. Welche Möglichkeiten hat der militärisch unterlegene? Was vermutlich nochmals zu verstärktem NATO-Engagement führen würde. Dies wiederum würde vermutlich... Was dann? Welche Möglichkeiten bieten sich dann dem Westen gegen die aufständische Guerilla? Noch mehr Ermordete durch US-Drohnen, verbrannte Erde, abgebrannte Dörfer, Todesschneisen ohne Afghanen entlang der Verkehrswege usw? Die permanente Eskalation, so wie von der Wehrmacht in Rußland vorexerziert?

    Mein Gott, Frieden jetzt.

    Und sage niemand, es gäbe keine Paralellen zu Vietnam. Zitat: "Auf Ersuchen des amerikanischen Oberbefehlshabers Westmorland...hat Präsident Johnson... eine Erhöhung der 510 000 US-Truppen um weitere 10500..beschlossen".(1968 war das).So wurden die USA bereits seit Mitte der 60er von den US-Militärs immer tiefer in den Kriegssumpf geschickt.

    Entscheidet sich Obama für Krieg, hat er fertig mit seinen schönen Reden.