Obama drängelt: Milliarden im Schnellverfahren
Obama will keine Zeit verlieren, sein 800-Milliarden-Konjunkturprogramm durchzudrücken. Sein Finanzminister Geithner wird wegen wegen Steuerfehlern befragt.
Barack Obama hatte nicht zu viel versprochen. Gleich am Morgen von "Day one" wurde der neue US-Präsident an der besonders drängenden "Wirtschaftsfront" aktiv und traf sich mit seinen Beratern. Er will keine Zeit verlieren, sein Konjunkturpaket im Umfang von 825 Milliarden Dollar (633 Milliarden Euro) durch den Kongress zu boxen.
Doch so eilig es Obama hat, so schnell brechen auch die alten Gräben wieder auf. Bereits am Mittwoch gab es Meinungsverschiedenheiten zwischen den regierenden Demokraten und der republikanischen Opposition. Die Konservativen kritisierten am Mittwoch Initiativen aus den Reihen der Demokraten für neue Staatsausgaben.
Denn zunächst steht der neuen Regierung noch die zweite Hälfte des 700-Milliarden-Dollar-Pakets für die Finanzbranche zur Verfügung. Diese 350 Milliarden waren vorige Woche, noch unter der Bush-Regierung, vom Kongress freigegeben worden. Das Repräsentantenhaus beschloss am Mittwoch mit 260 zu 166 Stimmen, von diesem Betrag 40 bis 100 Milliarden Dollar gezielt dafür einzusetzen, die exorbitante Zahl von Zwangsvollstreckungen bei überschuldeten Hausbesitzern zu begrenzen.
Das neue, von Obama vorgeschlagene Konjunkturpaket nahm am Mittwoch zumindest eine erste wichtige Hürde: Ein Ausschuss des Repräsentantenhauses segnete mit 35 zu 22 Stimmen Ausgaben von insgesamt 358 Milliarden Dollar ab; mit diesem Geld soll unter anderem die Verbesserung der Infrastruktur des Landes umgesetzt werden. Republikanische Kongressmitglieder versuchten hartnäckig, einen Teil der Ausgaben zu kürzen oder in Steuersenkungen umzuwandeln, scheiterten aber an der demokratischen Mehrheit. Obama will, dass der Kongress das Paket bis Mitte Februar verabschiedet. Zahlreiche Beobachter halten das angesichts der darin enthaltenen Menge an Einzelinitiativen für unrealistisch.
Im Anbetracht der Wirtschaftskrise, die Obama wiederholt als die schwerwiegendste seit Jahrzehnten bezeichnete, forderte auch der designierte US-Finanzminister Timothy Geithner den Kongress auf, rasch und entschlossen zu handeln. Obama und er teilten die Kritik zahlreicher Abgeordneter und Senatoren an der bisherigen Verwendung des 700 Milliarden Dollar schweren Rettungspakets für die Finanzbranche. Das Paket hatte der Kongress im Oktober verabschiedet. Die bereits ausgezahlte erste Hälfte sei nahezu wirkungslos verpufft, lautet die allgemeine Einschätzung von Wirtschaftsexperten.
Geithner, dessen Bestätigung im neuen Amt sich wegen eines peinlichen Steuerpatzers verzögerte, sagte dem Senatsausschuss, der seine Nominierung beschließen soll, das bestehende Programm bedürfe schnell einer gründlichen Überholung. Die Senatoren stellten Geithner wegen seines Eingeständnisses, zu wenig Steuern gezahlt zu haben, ein paar unbequeme Fragen; zugleich ließen sie aber keinen Zweifel daran, dass der an der Wall Street beliebte Mann am Ende bestätigt werde.
Geithner war bisher Chef der New Yorker Zentralbank. Er hatte vergangene Woche zugegeben, in seiner Zeit als Mitarbeiter des Internationalen Währungsfonds zwischen 2001 und 2004 rund 34.000 Dollar Steuern zu wenig gezahlt zu haben. Es sei ein "achtloses Versehen" gewesen und nicht vorsätzlich passiert. "Ich hätte besser aufpassen sollen", entschuldigte sich Geithner, er habe alle Steuerschulden sofort beglichen, sobald er von ihnen erfahren habe - das sei noch vor der Nominierung durch Obama gewesen, lautete seine nicht allzu plausible Erklärung.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Nan Goldin in Neuer Nationalgalerie
Claudia Roth entsetzt über Proteste
Juso-Chef über Bundestagswahlkampf
„Das ist unsere Bedingung“
Politikwissenschaftlerin über Ukraine
„Land gegen Frieden funktioniert nicht“
Internationaler Strafgerichtshof
Ein Haftbefehl und seine Folgen
taz-Recherche zu Gewalt gegen Frauen
Weil sie weiblich sind
taz-Recherche zu Gewalt gegen Frauen
Eine ganz normale Woche in Deutschland