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Nur nicht durch die Slums

Nairobi (taz) - Mit fünf Mark sind Sie dabei - zum ersten Mal auch in Kenia, und gleich in zwei Städten: Nairobi und Mombassa. Auf dem Rasen vor dem Kenyatta Conference Centre, dessen Turm eine afrikanische Hütte ins Überdimensionale verzerrt, ist der Mittelstand aus Nairobi am Start, eine bunte Mischung aus Afrikanern, Indern und Wazungu, den Weißen Kenias.

Um „die Welt zu verändern“, wie es auf den T-Shirts bescheiden heißt, treffen sie sich da, wo sie zu Hause sind: im gepflegten Stadtzentrum mit seinen Banken und Bürohochhäusern, seinen sauberen Alleen: schnieke College -Schülerinnen, Schönlinge, Mütter mit Kindern an der Hand, Herren mittleren Alters mit dem Flair ewiger Jugendlichkeit, ein paar Touristinnen aus dem nahen Interconti-Hotel - und schließlich einige wenige, die das Ganze offenbar ernst nehmen.

„Um den bedürftigen Kindern zu helfen“, zwitschert eine fesche Studentin. „Just for fun“ - zumindest ehrlich sind die blasierten indischen Jünglinge. Selbstverständlich würden sie keine zehn Meter durch Mathare oder Kibera laufen, die nur wenige Kilometer entfernten Slums, wo Hunderttausende „bedürftiger Kinder“ leben. Ein paar Inder -Muttis stehen leicht verschämt herum, die Startnummer auf ihre Saris geheftet. „Ich bin so froh, etwas Gutes tun zu können“, meint eine. Wie sie denn laufen wollen in ihren Saris? „Gar nicht, wir gehen!“

Um die 1.000 werden es wohl sein, die hier angetreten sind. Erst wenige Tage vor dem Start drang Spärliches an die Öffentlichkeit. Plakatieren ist in Nairobi ohnehin verboten. Und die Medien interessierten sich vor allem für Ron Hill, den britischen Marathonläufer, der einen Weltrekord anpeilt: das Rennen in Nairobi ist das 50., das er im 50. Land vor seinem 50. Geburtstag läuft.

Um sechs Uhr am Nachmittag drängt sich dann die bunte Masse an den viel zu engen Startplatz. Kenias Vize-Präsident Karanja entfaltet die Nationalflagge, der Count-down beginnt. 10 - 9 - 8, zwanzig Fotografen konkurrieren auf der Bahn um die günstigste Position, 7 - 6 - 5, die Menge hinter der mickrigen Kordel gluckst und drückt und schiebt. Bei 4 hält sie nichts mehr, sie stürmen los, rennen die Fotografen um, dem Vize wird die Fahne aus der Hand gerissen, Ron Hill ins Abseits gedrängt. Mit viel Gelächter machen sie sich auf den Weg, fünf Kilometer sind's nur in Nairobi, weil es bald dunkel wird. Die Inder-Muttis marschieren als Nachhut.

Nach einem Kilometer sind die, die's ernst nehmen, natürlich vorne, ein paar haben ihre Schuhe inzwischen in der Hand, einer sein Jackett, damit es nicht zerknittert. Einige mit hochrotem Kopf nehmen gemächlich eine Abkürzung zur Start- und Zielgeraden. Dort machen die Schwarzen nach 19Minuten das Rennen unter sich aus, als fünfter läuft ein etwa Zehnjähriger barfuß ins Ziel - ein neuer kenianischer Langstreckenstar in der Mache? -, wenig später Ron mit seinem Weltrekord, dann der mit dem Jackett in der Hand. Im Pulk schließlich auch viele Seiteneinsteiger, deren T-Shirts am Ziel noch von keinem Schweißtropfen befeuchtet sind. Alle sind bester Laune, Volksfeststimmung, Softdrinks gibt's umsonst, die „Carnivores“ spielen auf, es wird getanzt. Endlich mal ein anderes Unterhaltungsprogramm am Sonntag. Über die Nachzügler breitet sich barmherzig die frühe Dunkelheit der Äquatornähe.

Christa Wichterich

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