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Nur ein Kälteschutz

Am Donnerstag startet das Winternotprogramm für Obdachlose. Laut einer vom Senat in Auftrag gegebenen Befragung gibt es davon fast doppelt so viele wie vor neun Jahren

Im Zelt bei Eis und Schnee: Auch in diesem Jahr wird das Winternotprogramm wieder Obdachlose abweisen Foto: Daniel Bockwoldt/dpa

Von Katharina Schipkowski

Es soll ein Erfrierungsschutz sein, mehr nicht: Das Winternotprogramm, das der städtische Träger Fördern und Wohnen im Auftrag der Sozialbehörde betreibt, startet am ersten November mit 760 Übernachtungsplätzen für Obdachlose. Ronald Kelm findet das zynisch: „Wie kann man von einem Erfrierungsschutz sprechen, wenn man die Menschen von halb zehn bis 17 Uhr auf die Straße schickt?“, fragt er. Kelm arbeitet ehrenamtlich für die Johanniter.

Auch die Linksfraktion und das Straßenmagazin Hinz&Kunzt fordern Jahr für Jahr, die Noteinrichtungen auch tagsüber zu öffnen – erfolglos. Auch in diesem Winter werden die Unterkünfte nur nachts öffnen. 400 Plätze stehen in der Friesenstraße zur Verfügung, dorthin werden die Obdachlosen als erstes gebracht. Wer gesund ist, wird von dort in die Kollaustraße gebracht, wo 250 Schlafplätze in Containern bereitstehen. 110 Plätze sind auf verschiedene Kirchengemeinden, die Hochschule für Angewandte Wissenschaften und die Evangelische Hochschule für Sozialpädagogik verteilt. 100 weitere stehen als Reserveplätze zur Verfügung, aber die Erfahrung der letzten Jahre lege nahe, dass man sie nicht brauche, sagt der Sprecher der Sozialbehörde, Marcel Schweitzer.

Dabei haben Forscher*innen gerade im Auftrag des Senats herausgefunden, dass die Zahl der Obdachlosen sich in den letzten neun Jahren fast verdoppelt hat – sie zählten 1.910 Menschen statt 1.029 wie noch im Jahr 2009. Da die Forscher lediglich Obdachlose berücksichtigten, die sich in Einrichtungen aufhielten, dürfte die Dunkelziffer höher liegen.

Kelm koordiniert für die Johanniter das Gesundheitsmobil, eine mobile Arztpraxis, mit dem die Ehrenamtlichen Orte aufsuchen, an denen sich Obdachlose, Geflüchtete und andere Nicht-Krankenversicherte aufhalten. Auch die Caritas betreibt ein solches Krankenmobil, ein drittes wird von unabhängigen ÄrztInnen unterhalten. Von November bis März fahren sie auch die Standorte des Winternotprogramms an, denn das bietet bis auf eine „Schwerpunktpraxis“ in der Nähe der Friesenstraße keine medizinische Versorgung. Die schweren Fälle werden ins Krankenhaus gebracht, für leichtere Fälle gibt es Krankenzimmer im Pik As.

„Wie kann man von Erfrierungsschutz sprechen, wenn man die Menschen von halb zehn bis 17 Uhr auf die Straße schickt?“

Ronald Kelm, Ehrenamtler

Abgewiesen, das bestätigt Schweitzer, werden auch in diesem Jahr alle, die eine Wohnung haben. Auch wenn diese sich in Polen, Rumänien oder Bulgarien befindet. Über hundert Menschen, darunter 28 Deutschen, sei der Schlafplatz im vorigen Winter aus diesem Grund verwehrt worden. Ihnen bietet die Sozialbehörde eine Beratung an, die bei der Überwindung von Obdachlosigkeit helfen soll.

Kelm ist trotzdem sauer – weil die Öffnungszeiten auf nachts begrenzt sind, weil Osteuropäer abgewiesen werden und die Stadt sich bei der medizinischen Versorgung aufs Ehrenamt verlässt. Das Winternotprogramm sei dafür nicht zuständig, sagt Susanne Schwentke von Fördern und Wohnen. Es sei eben lediglich ein „nächtlicher Erfrierungsschutz“.

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