Nur 7 Gegenstimmen: Hessen-SPD auf Ypsilanti-Kurs
Auf ihrem Parteitag beschließt die Landespartei die Aufnahme von Tolerierungsgesprächen mit der Linkspartei. Selbst der Parteirechte Walter lobt das geplante Bündnis.
ROTENBURG taz Das Ergebnis ließ die Handvoll Kritiker aus den eigenen Reihen schnell verstummen. Von 335 Delegierten auf dem Sonderparteitag der hessischen SPD am Samstag in Rotenburg stimmten nur 7 gegen den Leitantrag des Landesvorstandes, der die Aufnahme von Koalitionsverhandlungen mit den Grünen und die zeitgleiche Führung von Tolerierungsgesprächen mit der Linken empfiehlt. 3 Delegierte enthielten sich der Stimme.
Ein glänzender Sieg für Partei- und Fraktionschefin Andrea Ypsilanti also. Minutenlang intonierte das Auditorium die neue Hymne der hessischen SPD, welche die Hessenrocker "Die Crackers" für Ypsilanti geschrieben haben: "Die Zeit ist reif, die Löwin ist erwacht, und sie sieht die Morgenröte nach einer langen schwarzen Nacht." Oben auf der Bühne herzte der Landesvorstand die überglückliche Vorsitzende. Verlaufen die Verhandlungen mit Grünen und Linken in den nächsten Wochen erfolgreich, könnte für die SPD die "lange schwarze Nacht" der Regierung Roland Koch im November zu Ende gehen.
Um Koch aus dem Amt drängen zu können, braucht Ypsilanti allerdings die Stimmen aller Abgeordneten von SPD, Grünen und Linken, die in den Probeabstimmungen in der vergangenen Woche für sie votierten. Ihre Parteifreundin Dagmar Metzger, die sich die Reise nach Rotenburg sparte, verweigert wegen der Tolerierung durch die Linken weiter die Zustimmung. Die wenigen Dissidenten in Rotenburg kamen fast alle aus Metzgers Unterbezirk Darmstadt-Dieburg.
In ihrer Rede vor der Abstimmung hatte Ypsilanti selbstkritisch eingeräumt, "Fehler gemacht" zu haben. Vor der Hessenwahl im Januar sei das der Ausschluss eines Bündnisses mit der Linkspartei gewesen. Nach der Wahl habe "man" den Paradigmenwechsel hin zu einem solchen Bündnis "zu hastig und ohne ausreichende Beteiligung der Basis" vollzogen. Danach aber sei mit dem Richtungsparteitag in Hanau, den anschließenden Regionalkonferenzen und dem jetzigen Sonderparteitag ein "beispielhafter Prozesses der innerparteilichen Demokratie" in Gang gesetzt worden.
Einer großen Koalition erteilte Ypsilanti erneut eine Absage. Eine Koalition mit der Union, die noch auf dem Parteitag in Hanau vom rechten SPD-Flügel gefordert wurde, wäre für Ypsilanti "ein doppelter Wortbruch". Koch würde im Amt gehalten und der Politikwechsel auf dem Altar der Machtbeteiligung geopfert.
Das sieht inzwischen auch der Exponent der Rechten so, der Landtagsabgeordnete Jürgen Walter. Die Linke habe "zufriedenstellend" auf den inhaltlichen Kriterienkatalog der SPD reagiert und sogar ihre "provokative Hütte" im Lager der Flughafengegner im Kelsterbacher Wald abgerissen. Jetzt könne die Ampel für ein Regierungsbündnis mit Grünen und Linken "auf Grün gestellt werden, damit es in Hessen wieder rot wird", so Walter. Er forderte Ypsilanti auf, sie solle in den Verhandlungen weiter "klare Kante zeigen". Dass aus den Gesprächen "kein Herbstspaziergang" wird, weiß auch Ypsilanti. Stolpersteine lägen noch genug im Weg, sagte sie.
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