Nun auch im Wedding: Spekulation mit Backstein

Die Uferhallen an der Panke sind verkauft worden. Zu den neuen Eigentümern gehört auch einer der Samwer-Brüder. Die Zukunft der Künstlerinnen und Künstler ist unklar.

Der Kaufpreis soll bei 30 Millionen gelegen haben Foto: Ksenia Les

Der Künstler Hansjörg Schneider steht in seinem weiträumigen Atelier, in dem er seit neun Jahren arbeitet, und sagt: „Ich werde keine Woche verschenken, in der ich hier sein kann.“ Dann breitet er ein wenig die Arme aus und fügt hinzu: „Aber die Tage sind wohl gezählt.“ Wie viele seiner etwa 50 Künstlerkollegen auf dem Gelände der Uferhallen hat auch er aus der Presse erfahren, dass die Aktiengesellschaft, der die Uferhallen gehören, verkauft hat.

Das knapp 40.000 Quadratmeter große Gelände mit sämtlichen Hallen und Häusern, in dem sich auch Gewerbe wie der Pianosalon und das Café Pförtner befinden, besitzt jetzt, hört man, eine neue Gruppe von Investoren. Zu diesen gehört auch einer der Samwer-Brüder, die in Berlin ein Internet-Imperium aufgebaut haben – allerdings äußert man sich im Hause Rocket Internet nicht zu diesem Kauf. Auch der Geschäftsführer der Aktiengesellschaft, Wolfgang Weber, darf noch keine Details über die neuen Aktionäre verraten.

Nur gerüchteweise erzählt man sich, dass die Hallen, anders als beim Kauf vor zehn Jahren, durch die Aktiengesellschaft statt 6 nunmehr über 30 Millionen Euro gebracht haben. Auch wenn Weber davon spricht, die neuen Käufer würden das Gelände „behutsam und langsam“ und „nicht mit der Planierraupe“ entwickeln wollen, gehen sowohl die Künstler als auch Kenner der Stadtentwicklung davon aus, dass sie ausziehen müssen. Wer ein Gelände wie dieses zu einem Preis wie diesem kauft, der wird mehr verlangen müssen als die knappen 4 Euro kalt, die die Ateliers derzeit pro Quadratmeter kosten. „Es ist nahezu ausgeschlossen, dass die Künstler zu den bisherigen Bedingungen werden bleiben können“, sagt Bernhard Kotowski, Geschäftsführer des Berufsverbands Bildender Künstler Berlin. „Es gibt kein lebenslanges Recht auf subventionierte Mieten“, gibt selbst Wolfgang Weber von der Aktiengesellschaft zu.

Hansjörg Schneider schaut wehmütig aus dem Fenster seines Ateliers. Er weiß viel über die Architektur dieses Geländes. In seinen großformatigen Werken hat er sich in Form minimalistischer Cut-outs, die an Scherrenschnitte erinnern, lange Zeit intensiv mit der Architektur der Moderne auseinandergesetzt. Er weiß, wer das Haus gebaut hat und wozu es die BVG, der es bis 2006 gehörte, nutzte: Als er den Raum nach seinen Bedürfnissen instand setzte, musste er es zunächst viel Öl abwaschen, denn hier wurden die Motoren der Straßenbahnen geprüft.

Ein Künstler wie Schneider, der große Räume mit hohen Decken braucht, wird Mühe haben, einen vergleichbaren Raum zu finden. Aber darüber mag er sich, wie gesagt, jetzt noch keine Gedanken machen. Zunächst will er darüber nachdenken, wie man sich am besten organisiert. Es gilt, einen Verein zu gründen. Auch sein Künstlerkollege Peter Dobroschke, der den Verein federführend vorantreibt, sagt: „Man muss jetzt nach außen eine konsistente Mehrheitsmeinung präsentieren.“

Es ist die alte Geschichte vom Ende künstlerischer Freiheit, von Verdrängung und von verfehlter Stadtentwicklung, die man nun einmal mehr am Beispiel der Uferhallen erzählen muss. Der Senat hatte Anfang des Jahres der Uferhallen-AG Interesse am Kauf signalisiert. Er hatte sie aber auch wissen lassen, dass man nicht vorhabe, die Immobilienblase mit Steuergeldern aufzublasen und mehr als den Verkehrswert für das Gebäude zu bezahlen. Dieser Verkehrswert beläuft sich vermutlich auf weniger als die Hälfte des erzielten Kaufpreises.

Eine große Niederlage im Hause des neuen Kultursenators Klaus Lederer (Linke), der sich ansonsten die Rettung von Atelierhäusern wie dem in der Prenzlauer Promenade zur Aufgabe gemacht hat. Doch im Grunde war der Zug bereits abgefahren, als der Senat das Gelände vor zehn Jahren verkaufte. Denn gegen die Art der Spekulation, wie sie jetzt stattfindet, gibt es keine juristischen Hebel. Was bleibt, ist ein hilfloser Weckruf der Koalition Freie Szene, jener Initiative von Berliner Künstlern, Theatermachern und anderen, zum Thema, der in der vergangenen Woche an die Presse ging. Und ein Appell von Martin Schwegmann, Atelierbeauftragter von Berlin, „den Standort in seiner Bedeutung für Berlin zu verstehen und die einzigartigen Räume für künstlerische Produktion weiterhin zu erhalten“.

Was der Senat vor zehn Jahren hätte tun können, liegt auf der Hand: die Immobilie behalten. Was die Künstler hätten tun können, ist ebenso klar: Direkt gegenüber den Uferhallen befinden sich die Uferstudios für zeitgenössischen Tanz, die Veranstaltungen und Festivals organisieren. Auch sie gehören nach wie vor den Uferhallen, der Aktiengesellschaft. Aber hier sah man schon vor fünf Jahren die Gefahr des Verkaufs. Man handelte einen Erbbaupachtvertrag über fast 200 Jahre aus und entzog sich so dem Zugriff der Aktionäre. „Das war allerdings nicht so ohne“, sagt Geschäftsführerin Simone Welleit heute. 1,7 Millionen kostete das Gelände damals plus Nebenkosten und horrende Zinsen. „Das ist eine große Verantwortung.“ Eine Verantwortung, die nicht alle in der Lage sind zu tragen.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.