„Nuit debout“ in Paris: Polizei löst Proteste gewaltsam auf
Brennende Autos und Flaschenwürfe: Mit Tränengas und Lärmgranaten geht die Polizei gegen hunderte Demonstranten am Platz der Republik vor.
Seit dem 31. März versammeln sich jeden Abend Demonstranten auf dem Platz in der Pariser Innenstadt, um gegen eine geplante Arbeitsrechtsreform des sozialistischen Staatschefs François Hollande zu protestieren und mehr soziale Gerechtigkeit zu fordern. Die Bewegung „Nuit debout“ – frei übersetzt „Die Aufrechten der Nacht“ – hat sich inzwischen auf dutzende französische Städte ausgebreitet.
Am Nachmittag war es bei landesweiten Demonstrationen gegen die Arbeitsrechtsreform bereits zu Ausschreitungen gekommen. Mehr als 120 Menschen wurden nach Angaben des Innenministeriums festgenommen, 24 Polizisten wurden verletzt, drei davon schwer.
Den Behörden zufolge beteiligten sich knapp 170.000 Menschen an den Protesten, zu denen Gewerkschaften, Studenten- und Schülerorganisationen aufgerufen hatten, die Veranstalter sprachen von 500.000 Teilnehmern in rund 40 Städten. Zentren waren die Hauptstadt Paris, die südfranzösische Hafenstadt Marseille und die Universitätsstädte Nantes und Rennes.
Schüler blockierten landesweit mehrere Gymnasien, Streiks führten zu kleineren Behinderungen im Zug- und Flugverkehr. Weil auch in Druckereien die Arbeit niedergelegt wurde, fehlten an den Kiosken viele Zeitungen.
Vorbereitung auf den 1. Mai
Es war bereits der vierte landesweite Protesttag gegen Hollandes Reformpläne in weniger als zwei Monaten. Bei den bislang größten Demonstrationen gegen die Lockerung des Arbeitsrechts waren Ende März landesweit nach Angaben der Behörden 390.000 Menschen auf die Straße gegangen, die Veranstalter sprachen sogar von 1,2 Millionen Teilnehmern.
Die Proteste würden nicht nachlassen, versicherte der Chef der Gewerkschaft Force Ouvrière, Jean-Claude Mailly, „denn es gibt echte Probleme mit diesem Gesetz“. Im Kampf gegen die Rekordarbeitslosigkeit will Hollande unter anderem die 35-Stunden-Woche lockern und die Regeln für betriebsbedingte Kündigungen vereinfachen. Während der Präsident sich davon mehr Jobs erhofft, befürchten Kritiker schlechtere Arbeitsbedingungen und den Verlust sozialer Errungenschaften.
Die Regierung hat auf Druck der Gewerkschaften bereits einige Punkte des Gesetzestextes abgeändert, die Kritiker damit aber nicht zufriedenstellen können. Die französische Nationalversammlung soll sich ab dem 3. Mai mit dem Reformvorhaben befassen. Davor dürfte auch der Tag der Arbeit am 1. Mai im Zeichen der Proteste gegen die Lockerung des Arbeitsrechts stehen.
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