Notizbücher von Osama bin Laden: "Faul" und fixiert

Der US-Geheimdienst wertet Aufzeichnungen Osama bin Ladens aus. Darin beschäftigt er sich mit möglichen Anschlägen in den USA und neuen Rekruten für al-Qaida.

Standen offenbar in regem Austausch: Ayman al-Sawahri (l.) und Osama bin Laden im Jahr 2004. Bild: dapd

WASHINGTON taz | Der US-Geheimdienst soll in dem sichergestellten Material aus dem Haus Osama bin Ladens dessen Notizbücher gefunden haben. Darin habe sich der getötete Chef des Terrornetzwerks al-Qaida hauptsächlich mit den USA befasst – was nicht weiter überraschend ist. Um so interessanter ist der Beleg, dass bin Laden auch aus seinem Versteck in Abbottabad heraus aktiv als Pate und Strippenzieher des Terrornetzwerks operiert haben soll.

Das handgeschriebene Notizbuch sowie eine Reihe von Computerdateien enthielten zahlreiche Ausführungen über die Doktrin von al-Qaida und mögliche Terrorziele sowie Angaben, wie Angriffe durchzuführen seien, berichteten US-Medien am Donnerstag. Dabei soll bin Laden vor allem besessen von der Idee gewesen sein, die USA erneut zu treffen. Er habe nach Wegen gesucht, Anschläge vom Ausmaß des 11. September 2001 auszuführen, berichtete die Washington Post.

In den Aufzeichnungen hätten die Ermittler auch die bereits bekannt gewordenen Hinweise darauf gefunden, dass al-Qaida zum zehnten Jahrestag von 9/11 Anschläge auf öffentliche Verkehrsmittel in den USA im Auge hatte. Allerdings handele es sich nicht um konkrete Planungen, sondern eher um "die Ideen" von bin Laden, wie ein anonymer US-Regierungsbeamter dem TV-Sender CNN sagte. Auch hohe amerikanische Feiertage wie der Unabhängigkeitstag am 4. Juli seien als mögliche Gelegenheiten für einen Schlag genannt gewesen, teilte die US-Regierung mit.

Afroamerikaner und Latinos als Rekruten

Regelmäßig habe bin Laden eine Reihe von al-Qaida-Vertrauten kontaktiert, darunter auch den Mann, der als sein Stellvertreter gilt, Ayman al-Sawahiri. Bin Laden soll seine Gefolgsleute angehalten haben, nicht-Muslime zu rekrutieren, die in den USA unterdrückt würden. Speziell habe er Afroamerikaner oder Latinos im Visier gehabt, um mit ihrer Hilfe "Amerika schwach zu machen", sagte ein Geheimdienstler der Washington Post.

Diese Fixierung auf die USA und die westliche Welt habe dem Terrorchef nicht nur Freunde in den eigenen Reihen eingebracht. Einige hätten sich statt dessen dafür ausgesprochen, weniger riskante Anschläge in Ländern wie Somalia, Algerien oder dem Jemen auszuführen.

Bin Laden habe das aber nicht interessiert. "Er ist mit der Zeit faul und selbstgefällig geworden", so ein Agent. "Ich glaube nicht, dass er dachte, er würde in diesem Haus überwältigt werden." Bin Laden habe nach Erkenntnissen der Ermittler weder Fluchtpläne für den Ernstfall gehabt, noch Vorkehrungen getroffen, seine Aufzeichnungen im Fall des Falles zu vernichten.

Sie fielen dem US-Spezialkommando in die Hände, das vor knapp zwei Wochen das Gelände bin Ladens unweit der pakistanischen Hauptstadt gestürmt und den meistgesuchten Terroristen der Welt getötet hat. Eine Reihe von Agenten soll in der Geheimdienstzentrale in Nord-Virginia damit beschäftigt sein, hunderte beschlagnahmter Schriften und Computerdateien aus dem Arabischen zu übersetzen und auszuwerten. "Wir werden darin keine Anleitungen für Anschläge finden", so ein Beteiligter. Bin Laden habe als Chef gedient, "der generelle, weitläufige Instruktionen und Richtlinien ausgab – aber nicht taktische Anweisungen."

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.