■ Normalzeit: Bündnisse der Arbeit
Der AEG-Gesamtbetriebsrat beauftragte unlängst eine französische Unternehmensberatung, einen Interessenten für die derzeit von der Daimler-Benz AG zügig verschleuderten AEG-Betriebsteile zu finden, bei denen sie in die Produktionspalette passen würden. Diese „Alpha consult“ informierte jetzt den Betriebsrat, daß das vor drei Jahren von der Treuhand an die AEG verkaufte Transformatorenwerk in Oberschöneweide (TRO) mit 500 Mitarbeitern an die GEC Alsthom, eine Tochter von Alcatel, verkauft werden soll. Die französische Alcatel ist ihrerseits eine Tochter des Staatskonzerns Compagnie Génerale d'Électricité (CGE) und des Multikonzerns IT&T. Sie hat bereits Überkapazitäten in ihren französischen Transformatoren-Werken, wie auch die AEG in ihren BRD- Werken, so daß das TRO-Werk im Osten mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit aufgekauft wird, um dichtgemacht zu werden – zur Marktbereinigung. Bei Alcatel ist man der Auffassung, daß es in zehn Jahren nur noch drei europäische Transformatoren-Anbieter geben wird: ABB, Siemens und Alcatel.
Nachdem die gewerkschaftlichen Vertrauensleute in den Betrieben fast verschwunden sind, verhandeln die Unternehmer die Arbeitsbedingungen zunehmend nicht mehr gesamtgesellschaftlich, sondern über ihre Einzelbetriebe – mit den deregulierungsgeschwächten Betriebsräten. Deren Gewerkschaften drängen sie sogar zu solch „Co-Management“. Im übrigen liegen mittlerweile auch bei den Arbeiterorganisationen Pläne zur lean production vor, und bei den Funktionären geht selbst die Angst vor Arbeitslosigkeit um. Teilweise wird bereits derart heftig unter den Einzelgewerkschaften um Mitglieder „gekämpft“, daß ganze Unternehmerverbände mit den jeweils „günstigeren Tarifverträgen“ umworben werden! Das IG- Metall-„Bündnis der Arbeit“, von Zwickel hervorgezaubert, um den Eindruck zu verwischen, die Gewerkschaft tue nichts für Arbeitslose, versteht der listige Zeiss-Jena-„Sanierer“ Lothar Späth bereits so: Die Arbeitsplätze können erhalten werden, wenn die 100prozentige Lohnangleichung im Osten ausgesetzt wird! Eine IG-Metall-Umfrage über das Ansehen der Gewerkschaften in den Betrieben fiel jüngst derart negativ aus, daß man sie unter Verschluß behielt. Die meisten Belegschaften sind resigniert und konservativer als viele Funktionäre. Bei der AEG Marienfelde, die bereits an die Alcatel-Tochter „Cegelec“ verkauft wurde, sind von 600 Angestellten und 200 Arbeitern noch 25 Prozent gewerkschaftlich organisiert. Ihre Einkommen liegen heute auf dem Stand von 1985. „Unser Betrieb befindet sich seit zehn Jahren nur noch in Abwehrkämpfen“, meint Betriebsrat Uwe Döring. Und ein Osram- Betriebsrat aus Spandau klagt, daß immer mehr auf Wochenendarbeit gedrängt wird.
Bei den französischen Streiks vom Dezember sammelte man zwar noch auf etlichen Solidaritätsveranstaltungen Geld für die kämpfenden Kollegen, aber die meisten deutschen Gewerkschaftsspitzen sahen eher „Maastricht“ dadurch gefährdet und distanzierten sich – etwa mit der Maßgabe des IG-Metall-Vorständlers Riester: Es gibt keine Alternative zum Kapitalismus mehr und keinen 3. Weg. Jetzt wird mit den Unternehmen nach „intelligenten Lösungen“ gesucht. Dazu müssen mehr Marktanteile erkämpft und muß die „internationale Wettbewerbsfähigkeit“ der deutschen Industrie verbessert werden! Das sehen auch viele Belegschaften so. In Berlin, wo sich zudem auch noch der Staat „verschlanken“ will, bereiten sich derzeit die ob ihres „tariflosen Zustands“ langsam wütend werdenden Kindergärtnerinnen, Erzieher und Bäder-Angestellten auf einen Streik vor. Helmut Höge
wird fortgesetzt
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