■ Normalzeit: Supp-Kultur-Schaffende
Das sind Katharina, Maria, Detlef, Jürgen und Dirk. Letzterer heißt sogar Subke – mit Nachnamen. Im Hintergrund dieser Brigade gibt es ferner den Investor, die Bank und den Freund von K.: Benny Härlin. K.Körner ist die Unternehmerin. Die studierte Mongolistin belegte nach der Wende etliche Betriebswirtschaftskurse und arbeitete zuletzt bei einem Immobiliar-Developer. Deswegen konnte sie ihre Erst- Existenzgründung – am Kurfürstendamm 224, Ecke Meinekestraße – auch gleich richtig aufziehen. Es geht dabei, wie gesagt, um Suppen. Dazu muß man jedoch wissen: Der Zerfall der Sowjetunion machte sich in Westberlin vor allem durch Suppen – aus dem Osten – bemerkbar: Soljanka, Borschtsch – und dann Erbsensuppe mit Würstchen aus Gulaschkanonen.
Währenddessen exekutierte Bonn die Wende mit der „Abschreibung“ – genannt: Aufschwung – „Ost“ und versuppte damit die „samtene Revolution“ vollends! In Westberlin war zugleich bis zur „E 1988“ die linksradikale Subkultur kumulativ – über die Subventionskultur – zu einem „Vegetarischen Gulasch“ vergoren. Inselähnliche Ausnahmen bildeten – im Gelben Wedding – die Thai-Kultur (Tom Kha Gai) und – in Klein-Istanbul – die Türken- Kultur (Weiße Bohnen mit Hammelfleisch). Aber als die DDR- Bürger auf italienische Tomatensuppen – aus der Tüte – umstiegen, mit Sahne – aus der Spraydose, heißgemacht – in der Mikrowelle, ging es in Berlin Schlag auf Schlag: wiederum beginnend mit einer Initiative der verschwindenden DDR-Macht.
7 intellektuelle Sowjetjuden sowie 700 proletarische Rußlanddeutsche bekamen Bleiberecht! Und mit ihnen: Schstchi (wird man das hierzulande jemals richtig aussprechen können?), ferner Hühnchensuppen, Gänschensuppen, Kartoffelchensuppen, Koschere Kürbissuppen, Trefje Fenchelsuppen... dann Polnische und Ungarische Sauerkrautsuppen, Restjugoslawische Zucchinisuppen und schließlich sogar noch ein kompletter Serbischer Gemüsetopf. Kurzum: Trotz versuppter Wende sowie Subkultur herrschte in Berlin plötzlich an Suppen kein Mangel mehr.
Was lag da näher, als einen Laden nebst Lieferservice namens „Soup-Kultur“ aufzuziehen – und zwar am Ku'damm! Der sich langsam wieder russifiziert. Das Geschäft ist – noch – winzig klein, aber schon bei der Eröffnung am 6. Januar drängelten sich die Menschen in Trauben zum Suppenempfang. Es gab alle hier im Text erwähnten plus einige mehr – in praktischen Pappbechern, aber auch in edlen Stahlgeschirren: zum Mit-nach- Hause-Nehmen.
Die Menschen vor dem Laden entpuppten sich beim Näherkommen sämtlichst als Suppenkasper. Die West-Hälfte kannte ich: Nahezu die komplette taz-Gründungsmannschaft, inzwischen in alle Bürgerpressen einpüriert. Längst konnten sie sich saftige Single-Steaks – neben handgeschnitzten Gascogne-Möhrchen – leisten. Aber hier standen sie nun wieder einmal – in der Meinekestraße Ecke Ku'damm – und löffelten zusammen Suppen: zum Preis von 5,50 bis 9,40 DM. „Wir haben scharf kalkuliert!“ erläuterte Katharina, und „Vorsicht, die ist scharf gewürzt“, ergänzte Benny. Übrigens arbeitete auch Katharina mal – kurz – in der taz, wo ich zum ersten Mal „Bisque d' Homard“, „Potage de Gibier“ und „Maissuppe“ – in der Kantine – aß. Leider wurden die taz-Köche alle Redakteure – und die Kantine abgeschafft. Noch so eine Versuppung! Helmut Höge
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