Normalzeit: HELMUT HÖGE über die Berliner Reiterstaffel
Die Hintergründe einer Kampagne
Dass die Springer-Zeitungen seit Tagen für den Erhalt der Polizei-Reiterstaffel kämpfen, hat damit zu tun, dass diese den Konzern quasi eigenhufig während der „Enteignet-Springer-Aktionen“ schützte. Fast bei jeder Demonstration wurde damals die berittene Polizei eingesetzt. Anfangs war ihr Erscheinen auf der Straße noch so beeindruckend, dass z. B. bei der „Schlacht am Tegeler Weg“ etliche Demonstranten kurz davor waren, in den Kanal zu springen.
Dann ersann die Linke jedoch immer mehr Gegenmittel: Die reichten vom Pieksen der Pferde bis zu ihrer ernsthaften Verletzung. Sie waren, wie im Tierschutzgesetz auch, „Sachen“ – gegen die Gewalt anzuwenden legitim war. Die Bullen obendrauf hatten extralange Schlagstöcke aus Holz. Das wirksamste Mittel dagegen war, ihren Schlag mit der Hand abzufangen und dann kräftig am Stock zu ziehen. Der an sich kleinen Ines Lehmann gelang es auf diese Weise einmal, einen Zweizentnerbullen mit seinem eigenen Schlagschwung aus dem Sattel zu heben. Er landete kopfüber in der linksradikalen Sitzblockade, der er eben noch anständig eine aufs Haupt geben wollte. Wenn die Reiterstaffel über das FU-Gelände patroullierte, passierte es gelegentlich, dass ein Pferd aus einem der Hörsäle mit Pfeilen aus Blasrohren beschossen wurde. Eine zeitlang dachte man sogar daran, die Pfeile zu vergiften – und stahl sich dieserhalb nächtens in den Botanischen Garten. Dabei kam aber nichts heraus, außer dass mal wieder alle Cannabiskulturen geplündert waren.
Mit dem Ende der Studentenbewegung verblasste auch der einstige Angstgegner Reiterstaffel. Dafür bewarben sich bei ihr jetzt die pferdenärrischen Teenager gleich zu Hunderten: alle wollten Polizistin hoch zu Pferde werden. Die aus der preußischen Kavallerie herausgelöste berittene Polizei, die nach dem Krieg noch einmal mit den letzten Herrenmenschen-Reitern wiederaufgefüllt worden war, tat sich anfangs besonders schwer mit der weiblichen Pferdeleidenschaft. Zwar war für diese alten Knacker mit O-Beinen das Pferd meilenweit der Frau überlegen, aber dass jetzt plötzlich die jungen Frauen selbst Pferde- statt Männerbekanntschaften suchten, verletzte ihre Eitelkeit. Zu Recht, denn als die ersten Blondinen der Reiterstaffel endlich im Tiergarten ausreiten durften, zeigte sich sehr schnell, dass sie das Zeug zu einer echten Touristenattraktion hatten! Gerade dass diese Staatsamazonen uniformiert waren, machte sie so attraktiv.
Dass sie jetzt in ihrer Abwicklungsnot ausgerechnet durch Dieter Bohlen finanziell „gerettet“ wurden, ist also nachgerade typisch für diese Staffel. Aber nicht sie wird überleben, sondern nur ihre 44 Pferde werden durch diesen ganzen Springer-Zeitungsrummel vor dem Rossschlächter bewahrt. Angeblich geht es um die Grundstücke der Staffel, in Spandau und Grunewald, die die Stadt versilbern will. Fast ist man versucht, diese Sauerei mit einer Unterschriftenliste zum Erhalt der Reiterstaffel zu kontern – so wie der Holzjournalist Christian es mit Erfolg beim Polizeiorchester tut.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen