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Normalisierung in NeuseelandEndlich wieder küssen

Neuseelands Regierungschefin Jacinda Ardern erklärt ihr Land für coronafrei. Doch die Grenzen bleiben vorerst weiter geschlossen.

Hat Gutes zu verkünden: Premierministerin Jacinda Ardern bei ihrer Pressekonferenz am 8. Juni Foto: Mark Mitchell/NZME/ap

SYDNEY taz | „Wir sind bereit“, sagte Neuseelands Premierministerin Jacinda Ardern am Montag in der Hauptstadt Wellington. Die Neuseeländer hätten sich „auf beispiellose Weise zusammengeschlossen, um das Virus zu vernichten“. Denn die „Kiwis“, wie sich Neuseeländer gern selbst nennen, dürfen sich ab Montag um Mitternacht wieder weitgehend normal verhalten. Sie lebten dann in einem Land, „in dem sich das Leben so normal anfühlt, wie es in der Zeit einer globalen Pandemie möglich ist“, meinte Ardern.

Die Regeln für die physische Distanz und Teilnehmerbeschränkungen bei Versammlungen werden aufgehoben. So könnten die Teile der Wirtschaft sich wieder öffnen, die trotz einiger Lockerungen der letzten Wochen noch blockiert gewesen waren. Besonders der wirtschaftlich wichtige Tourismus dürfte profitieren. Neuseeland hatte gar die Einführung der Viertagewoche diskutiert, um den Reiseverkehr anzukurbeln.

Die Bevölkerung reagierte begeistert auf die Aufhebung der Beschränkungen. „Endlich wieder küssen“, schrieb eine Frau auf Facebook. Soziale Distanz und strikt durchgesetzte Einschränkungen der Reisefreiheit hatten unter anderem zur Folge, dass Paare, die an verschiedenen Orten lebten, sich wochenlang nicht sehen konnten.

„Ich weiß, es ist Montag, aber ich werde heute Abend eine Flasche Champagner öffnen und das Glas auf alle Menschen in diesem schönen Land erheben. Ka pai Aotearoa“, sagte James Shaw, Minister für Klimawandel, mit einem Satz in der Sprache der Māori, der „gute Arbeit, Neuseeland“ bedeutet.

Ardern erwartet trotzdem neue Fälle

Ardern wollte nicht sagen, dass Neuseeland das Virus ausgerottet habe. Stattdessen bezeichnete sie die Eliminierung als „fortlaufende Anstrengung“. „Mit Sicherheit sehen wir hier wieder Fälle“, sagte sie. „Das ist kein Zeichen dafür, dass wir versagt haben; es ist eine Realität dieses Virus.“

So gelten weiter strenge Grenzkontrollen. Es gibt laut Ardern keinen Zeitplan für deren Abschaffung, da sie die beste Verteidigung des Landes gegen das Virus seien. Nur Neuseeländer und ihre unmittelbaren Familienangehörigen dürfen derzeit einreisen und müssen 14 Tage in staatliche Quarantäne.

Eine „Reiseblase“ mit dem Nachbarn Australien, die bilaterales Reisen erlauben würde, wurde diskutiert, aber nicht umgesetzt.

Neuseeland hatte früh und entschieden auf die Coronapandemie reagiert. Es gab nur etwas mehr als 200 bestätigte Covid-19-Fälle im Land, als die Regierung die Grenzen schloss. Die Gesamtzahl der diagnostizierten Infektionen lag nie über 1.500. 22 Menschen starben an Covid-19 im Gegensatz zu den Zehntausenden von Toten, die Wissenschaftler vorausgesagt hatten, sollte es keine Beschränkungen geben.

Laut Google seien die Neuseeländer mehr zu Hause geblieben als die Einwohner von Australien, Großbritannien und den USA. Ardern hatte die Neuseeländer regelmäßig als „Fünf-Millionen-Team“ bezeichnet, um die Menschen zu einen und zu ermutigen, den Vorschriften der Regierung zu folgen.

Bereits am 5. Juni hatte sich das pazifische Nachbarland ­Fidschi als virusfrei erklärt.

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1 Kommentar

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  • Wieso "doch" die Grenzen bleiben geschlossen? Offensichtlich ist das die beste Möglichkeit, weitere Infektionen zu vermeiden. Es müsste also heißen: "Deshalb" bleiben die Grenzen geschlossen.