: Normale Gastfreundschaft für BesetzerInnen
■ Auch eine Woche nachdem „Papierlose“ die Nuntiatur in Paris besetzt haben, ist die Situation der MigrantInnen ungelöst. Die katholische Kirche weiß nicht recht, wie sie sich verhalten soll
Paris (taz) – Eine Woche nachdem mehrere „papierlose“ ImmigrantInnen und FranzösInnen hinter dem Briefträger in die Pariser Botschaft des Papstes geschlüpft sind, ist die Nuntiatur ein Pilgerzentrum geworden. Allabendlich ziehen DemonstrantInnen vor dem Gebäude im 16. Arrondissement im vornehmen Pariser Westen auf. Während sie „Papiere für alle“ fordern, verhandelt Nuntius Mario Tagliaferri im Auftrag des Papstes mit der französischen Regierung über eine Lösung des Konfliktes. Innerhalb der katholischen Kirche Frankreichs ist ein offener Streit über Recht oder Unrecht der Besetzung und der Vermittlung durch den Vatikan entflammt.
Die BesetzerInnen der Nuntiatur haben ihrerseits einen Appell an den französischen Premierminister Lionel Jospin gerichtet. Als Zeichen seines guten Willens möge er jenen 17 AfrikanerInnen Aufenthaltspapiere für Frankreich geben, die vor zwei Jahren mit der Besetzung der Kirche St. Bernard die neue „Papierlosen-Bewegung“ in Frankreich gegründet hatten.
Madjiguene Cisse, die aus Senegal stammende Sprecherin der BesetzerInnen, berichtet über Handy aus dem Inneren der Nuntiatur über die „große Gastfreundschaft“, über das „ausgezeichnete Essen“ und über die guten Betten, in denen die drei Frauen und fünf Männer übernachten durften.
Daß ihr Verbleib in der Botschaft so lange währen würde, hatten die BesetzerInnen nicht erwartet. Mehrere von ihnen haben das Gebäude inzwischen verlassen, darunter ein „Papierloser“, dessen Arbeitgeber mit Entlassung drohte, wenn er nicht an seinen Schwarzarbeitsplatz zurückkehre. Die französischen Behörden, die auf das extraterritoriale Gelände der Nuntiatur keinen Zugriff haben, forderten die papierlosen ImmigrantInnen unter den BesetzerInnen mehrfach vergeblich auf, zu Gesprächen ins Innenministerium zu kommen. Doch die lehnten ab. Ermuntert hatte sie dazu die anfängliche schriftliche Unterstützung des Papstes, der seinen Nuntius mit einer Vermittlung beauftragt hatte. Inzwischen verlautete aus dem Vatikan auch, daß die Einwanderungspolitik nationale Sache sei. Auch an der Spitze der katholischen Kirche Frankreichs gibt es sowohl Kritik als auch Verständnis. Kirchensprecher Di Falco findet die Gastfreundschaft und die Vermittlungsversuche des Nuntius „normal“.
Eine andere Sprache kommt aus einem wöchentlichen Hetzblatt der Rechtsextremen, dem National Hebdo. Da fordert Chefredakteur Martin Pelletier „Razzien“ und „Konzentrationslager für den Transit“, um Papierlose außer Landes zu bringen. Ihren UnterstützerInnen müsse die französische Staatsangehörigkeit entzogen werden – einschließlich dem konservativen Ex-Innenminister Charles Pasqua. Der hatte kürzlich gefordert, allen 70.000 verbliebenen Papierlosen auf einen Schlag Aufenhaltsgenehmigungen zu erteilen. Dorothea Hahn
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