Nordkoreas Umgang mit Journalisten: Kein Anschluss unter dieser Nummer

Wie berichtet man über ein Land, dessen Regime sich gegen freie Medien abschottet und Fußball mit Gymnastik schlagen will? Schlaglichter auf eine komplizierte Realität.

Diese Dame hängt noch an der Strippe - an welchen der drei Telefonnetze von Pjöngjang spricht, ist unbekannt. Bild: ap/David Guttenfelder

PEKING taz | Wer hat den Befehl gegeben, wer ist schuld am Tod der vier Südkoreaner, die am vergangenen Dienstag auf der kleinen Insel Yeonpyeong im Artilleriefeuer aus Nordkorea ums Leben kamen? Sind nordkoreanische Zivilisten und Soldaten verletzt oder getötet worden, als Südkoreas Armee zurückschoss? Wie ernst werden im Norden die Ankündigungen des südkoreanischen Staatschefs Lee Myung Bak genommen, der am Montag in einer ersten TV-Ansprache nach den Angriffen auf die Insel drohte, er werde dafür sorgen, "dass der Norden den Preis für jede seiner Provokationen bezahlen wird"?

Wie gerne wären wir Pekinger Journalisten in dieser Woche nach Nordkorea gereist, um eine Antwort auf diese Frage zu finden. Aber anders als der demokratische Süden lässt der Norden nur selten Korrespondenten ins Land. Nur eine Handvoll ausländischer Medien sind permanent in der Hauptstadt Pjöngjang vertreten, darunter die staatliche chinesische Agentur Xinhua und die russische Interfax.

Die anderen sitzen vor der Tür der Demokratischen Volksrepublik Korea (DPRK), wie Nordkorea offiziell heißt. Wir müssen uns damit begnügen, chinesische und internationale Experten zu befragen und uns einen Reim auf die Propaganda der amtlichen Nachrichtenagentur KCNA zu machen.

Gleichwohl ist es mir in den vergangenen acht Jahren mehrfach geglückt, nach Nordkorea zu reisen. In einigen Fällen, so wie beim ersten Besuch im April 2002, hatten die Behörden Journalisten eingeladen: Sie versprachen sich einen Werbeeffekt für ihr Land und für den unterentwickelten Tourismus - bislang haben nur ein paar spezialisierte Reisebüros Nordkorea im Angebot.

Doch in jenem Jahr war in Südkorea die Fußballweltmeisterschaft. Als Konkurrenz dazu organisierte der Norden die "Arirang"-Massengymnastik-Schau mit über 100.000 Teilnehmern im 1.-Mai-Stadion von Pjöngjang. Die Funktionäre glaubten ernsthaft, dass ihr Synchronturnen mindestens so attraktiv sein würde wie die Fußball-WM.

In anderen Fällen begleitete ich Parlamentarier- und andere Gruppen, zuletzt im Mai. Auch damals herrschten große Spannungen, nachdem der Norden beschuldigt worden war, die südkoreanische Korvette "Cheonan" versenkt zu haben. Jeder Nordkoreaner, den wir in diesen Tagen trafen, schwor Stein und Bein, dass der Vorwurf ungerechtfertigt sei: "Wir wollen nichts anderes als Frieden und Wohlstand", hieß es immer wieder.

Wer kein Koreanisch spricht, ist auf die Hilfe von Übersetzern angewiesen. Unsere Begleiter wachten mit Argusaugen darüber, dass wir nicht unbeaufsichtigt durch die Straßen wanderten und nicht unbeobachtet mit Passanten sprachen. Zuweilen musste ich im Morgengrauen vor Beginn des offiziellen Programms aus dem Hotel schlüpfen, um der Realität ein wenig näher zu kommen.

Denn die Gastgeber bieten ein starres Programm, von dem in der Regel nicht abgewichen werden darf. Dazu gehört das als Heiligtum verehrte Geburtshaus des Staatsgründers Kim Il Sung in einem Park am Rande der Hauptstadt. Das traditionell strohgedeckte Bauernhaus ist heute Gedenkstätte und Wallfahrtsort. Zweiter fester Programmpunkt ist ein Besuch beim Juche-Turm, der wie eine Fackel wirkt. Der Turm am Ostufer des Taedong-Flusses ist nach der Staatsphilosophie "Juche" (Eigenständigkeit) benannt.

Eigene Kommunikation ist dabei unerwünscht: Stets sammeln die Beamten am Flughafen von Pjöngjang Handys und Satellitentelefone der Ankommenden ein, um sie erst bei der Ausreise wieder zurückzugeben. Einmal untersuchten sie auch meinen Laptop nach versteckten Sim-Karten und anderen Sendern.

Inzwischen weiß ich, dass es nichts nutzt, sich über solche Aktionen zu ärgern, sondern sie als Zeichen einer Diktatur zu sehen, die um ihr Überleben kämpft. Die stets anwesenden Begleiter ausländischer Besucher sind dabei häufig charmant und zugleich sehr vorsichtig, sich nicht selbst durch unbedachte Äußerungen in Gefahr zu bringen.

Ob und wie weit sie von dem, was sie uns Journalisten berichten, selbst überzeugt sind, ist schwer zu beurteilen. Eine Reise nach Nordkorea kann daher immer nur einen Zipfel einer überaus komplizierten Realität enthüllen.

Handys einzusammeln zum Beispiel scheint auf den ersten Blick eine überflüssige Aktion, da Besucher in Pjöngjang und Umgebung ohnehin mit ihren Geräten keinen Empfang haben. Doch Nordkoreaner handeln illegal mit Mobiltelefonen und chinesischen Simkarten. Sie werden heimlich im koreanisch-chinesischen Grenzgebiet benutzt, da auf der chinesischen Seite starke Sender nach Nordkorea herüberstrahlen.

So verbreiten sich auch Informationen, die das Regime eigentlich unterdrücken will. Während meines letzten Besuches erlebte ich eine kleine Sensation: Mittlerweile dürfen die Anwohner von Pjöngjang sogar ganz legal Mobiltelefone kaufen. Sie werden von der ägyptischen Firma Orascom vertrieben und kosten etwa 250 Dollar. Damit sind sie eigentlich unerschwinglich: Nach offiziellem Umrechnungskurs müsste ein normaler Nordkoreaner jahrelang arbeiten, um sich eines leisten zu können - das Durchschnittseinkommen liegt noch unter einem Dollar im Monat.

Und doch sah ich in der Hauptstadt nicht wenige Menschen mit dem Handy am Ohr. Für uns Außenstehende bleibt nur der Schluss: Es existiert eine gewaltige Schattenwirtschaft, die einige Bürger zu Geld kommen lässt.

Gleichwohl bliebt jede Kommunikation schwierig: Es gibt in Pjöngjang mindestens drei Telefonnetze. Eines für ausländische Bewohner der Hauptstadt, die sich nur untereinander anrufen können, ein weiteres für die Behörden und eines für Privatleute. Diese Netze sind voneinander getrennt, ein Ausländer kann zum Beispiel keinen örtlichen Privatanschluss anwählen.

"Ich kann mich mit koreanischen Bekannten oder Projektpartnern nur treffen, wenn ich an einer öffentlichen Veranstaltung teilnehme", sagt mir die Mitarbeiterin eines europäischen Hilfswerkes. Dafür ging sie zu Tanzabenden auf dem Kim-Il-Sung-Platz, in eines der örtlichen Badehäuser oder zur Party von Diplomaten. Erst das neue Orascom-Handy erlaubte es ihr, Mitarbeiter außerhalb von Pjöngjang anzurufen.

Ausländische Journalisten dürfen Pjöngjang zuweilen sogar verlassen, allerdings sind nur wenige Ziele erlaubt. Dazu gehören die Demarkationslinie zwischen Nord- und Südkorea am 38. Breitengrad und das Museum für Staatsgeschenke. Hier finden sich rund 240.000 Gaben an Staatsgründer Kim Il Sung und seine Nachfolger - darunter Eisenbahnwaggons von Stalin und Mao. Beide Ziele habe ich immer wieder genießen können.

Während es für Journalisten schwer bleibt, aus der Hauptstadt herauszukommen, ist es für Nordkoreaner umgekehrt: Einheimische, die nach Pjöngjang reisen wollen, brauchen eine Sondergenehmigung.

Dass Nordkoreas Wirklichkeit surrealer als die wildeste Fantasie sein kann, erfuhr ich schon bei meinem ersten Besuch 2002. Alle Gesprächspartner - Diplomaten, Hilfsorganisation und einheimische Betreuer - hatten mir glaubhaft erklärt, dass es in Pjöngjang keine Internetverbindung ins Ausland gebe - "außer vielleicht beim Militär und an der Regierungsspitze".

Doch dann fand ich mich eines Abends bei Herrn Kim Beom Hoon wieder, in einer Villa voller Computer, in der rund 30 nordkoreanische Jungen und Mädchen, Studenten und Programmierer arbeiteten. Sie bauten das "größte Internet-Lotto-Business der Welt" auf und wollten "die Hälfte des Weltmarktes" im Internetglücksspiel erobern. "200 Millionen Dollar" Hauptgewinn versprach der aus Südkorea stammende Kim. Zum Beweis, dass alles wirklich funktionierte, durfte ich selbst ins Internet und konnte die Webseite der BBC ebenso schnell wie die von Mercedes-Benz aufrufen. "Glasfaserkabel!", rief Herr Kim fröhlich.

Von ihm habe ich nie wieder etwas gehört, auch von der tollen Lotterie nicht. Kim soll sich mit seinen nordkoreanischen Partnern überworfen haben, hieß es.

Auch in der "Großen Studienhalle des Volkes", der gewaltigen Bibliothek und Volkshochschule im Zentrum Pjöngjangs, können Besucher inzwischen nicht mehr nur in Karteikästen, sondern auch per Computer nach Büchern und Dokumenten suchen. Allerdings ist dies nur ein Intranet, eine Verbindung nach außen existiert nicht.

Ob sie wissen, warum ihre Armee Südkorea derzeit wieder einmal bedroht? Ich würde es gern erfahren.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.