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■ Nordirland: Akzeptieren Sinn Féin und Unionisten das Abkommen?Wie der Frieden möglich werden kann

Das gemeine schreibende Volk bejubelte hoffnungsfroh den bevorstehenden Frieden, die Experten nörgelten und warnten vor überall ausgelegten Fallstricken. Die Reaktionen der Medien, insbesondere der ausländischen, auf das am Karfreitag verabschiedete nordirische Friedensabkommen waren gespalten. An diesem Wochenende hat das Abkommen seine schwerste Probe zu bestehen: Lehnen die Unionisten David Trimbles die Übereinkunft ab, ist es keinen Pfennig mehr wert.

Damit wäre der Prozeß bereits beendet, bevor er überhaupt begonnen hätte. Der Text ist für alle Seiten unbefriedigend, seine Umsetzung nur mit einer tiefergehenden Dynamik möglich. Daß Sinn-Féin-Chef Gerry Adams gemeinsam mit David Trimble im Kabinett einer nordirischen Regierung sitzt, ist derzeit unvorstellbar. Trimble hat es immerhin fertiggebracht, in 22 Monaten am Verhandlungstisch kein einziges direktes Wort mit Adams zu wechseln. Es dürfte kaum möglich sein, sich für die Kabinettssitzungen stets einen US-Vermittler zu laden, der solche Albernheiten von vorgestern zu übertünchen versteht.

Die Bedingungen also, unter denen ein dauerhaft friedliches Austragen des Konfliktes möglich wird, müssen erst geschaffen werden. Nötig ist dazu eine andere politische Kultur – die aber hat Nordirland nicht. Zwar ist nicht jeder Katholik, der an der Falls Road in West-Belfast wohnt, ein glühender IRA-Sympathisant, genausowenig wie jeder Protestant in Shankill den loyalistischen Paramilitärs nahesteht. So sehen es nur die martialischen Wandbilder – aber die symbolisieren eben genau jene Einbindung ganzer Viertel in die feindlich sich gegenüberstehenden konfessionell- politischen Lager. Die meisten Menschen mögen damit nichts zu tun haben – aber eine eigene Artikulation jenseits der konfessionellen Politik haben sie eben auch nicht. Es wird schwer werden, ein in den Konfessionsgrenzen befangenes Parteiensystem dazu zu bewegen, die eigenen Bedenken jenen 73 Prozent der Nordiren unterzuordnen, die das Friedensabkommen verwirklicht sehen wollen.

Das Ausland hat bei dem Friedensprozeß eine doppelte Funktion: Einerseits kann es lauthals jene politischen Führungsfiguren lobpreisen, die das Abkommen unterzeichnet haben, um sie an ihr Wort zu binden. Andererseits kann, etwa durch wirtschaftliche Hilfen, auch ein materieller Anreiz geschaffen werden: Wenn Frieden Arbeit schafft, Krieg hingegen Armut, dann geraten politisch-militärische Führer unter Legitimationsdruck.

Im besonderen ist Großbritannien gefordert, für die überkonfessionelle Integration Sorge zu tragen und zivile Strukturen zu stärken. Das ist schon in den ersten eineinhalb Jahren des Waffenstillstands versäumt worden. Statt parallel zu den Bemühungen um Verhandlungen überkonfessionelle Institutionen zu schaffen und jene zu stärken, die versuchen, die alten Grenzen zu überwinden, tat die britische Regierung unter John Major einfach gar nichts. Jetzt, da das Abkommen geschlossen ist, muß man wieder bei null anfangen – ein schweres Versäumnis. Und die nordirische Polizei RUC konnte sich auch im vergangenen Jahr, unter der Blair-Regierung, mit Londons Segen wie eine protestantische Kampftruppe geben. Auch hier hat die britische Regierung versagt.

Der Text des Abkommens ist auch in diesem Punkt überaus schwammig und verweist zukünftige Regelungen über die nordirische Polizei an eine unabhängige Kommission. Die Konflikte, sagen Kritiker, werden damit nur in die Zukunft verschoben. Stimmt, aber das mindert nicht den Wert des Abkommens, auch nicht für die in zahlreichen Punkten zunächst unterlegenen Republikaner. Es hält immerhin schriftlich fest, daß der Status quo einer Veränderung bedarf – und der Status quo ist unionistisch.

Das Wichtigste an diesem Abkommen ist, daß es unterzeichnet wurde. Es mag unvollkommen sein, aber es ist die notwendige, wenn auch nicht hinreichende Bedingung für einen dauerhaften Frieden. Gerade weil es so labil ist, gerade weil es so leicht entzweigebombt werden kann, verdient es Unterstützung – bei aller Skepsis der Experten. Bernd Pickert

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