Nordafrika-Projekt: Wüstenstrom in weiter Ferne
Die Desertec-Stiftung trennt sich von ihren Industriepartnern. Das Projekt leidet unter internem Streit – und sinkenden Photovoltaik-Preisen.
FREIBURG taz | Ein Erfolg des Wüstenstromprojekts Desertec ist unsicherer denn je: Die in Berlin registrierte gemeinnützige Stiftung Desertec Foundation hat ihren Ausstieg aus dem Industrieverbund Dii (Desertec Industrie Initiative) verkündet. Seit einigen Monaten hatte es wiederholt Meldungen über die angespannte Atmosphäre zwischen den Partnern gegeben.
Die Dii GmbH war 2009 von überwiegend deutschen Unternehmen gemeinsam mit der Desertec Foundation gegründet worden. Zu den Gesellschaftern zählen heute unter anderem RWE, Eon, ABB und die Deutsche Bank. Gemeinsames Ziel war es, in der afrikanischen Wüste mittels Solarkraftwerken Strom zu erzeugen, um diesen über leistungsstarke Gleichstromnetze nach Europa zu bringen; die Rede war von einem Investitionsvolumen von 400 Milliarden Euro.
Heute sagt Thiemo Gropp, Vorstand der Stiftung, es sei immer klar gewesen, dass die Stromerzeugung in der Wüste „mit extremen Herausforderungen verbunden“ sei. Per Pressemitteilung ließ die Stiftung jetzt wissen, es gebe „unüberbrückbare Meinungsverschiedenheiten bezüglich der zukünftigen Strategie“. Man wolle „vermeiden, unverschuldet in den Sog der negativen Berichterstattung über die Führungskrise und Orientierungslosigkeit des Industriekonsortiums“ gezogen zu werden.
Wie die Zukunft des Desertec-Projekts aussieht, ist damit völlig offen; die Namensrechte liegen bei der Stiftung, die nun aber ohne Industriepartner dasteht.
Zu den Schwierigkeiten beigetragen haben dürfte auch das ökonomisch waghalsige Konzept. Denn die Idee, Solarstrom über Tausende von Kilometern nach Mitteleuropa zu bringen, war unter wirtschaftlichen Aspekten von jeher fraglich – vor allem, wenn man als Referenz den heimischen Solarstrom heranzieht. Allein schon die Kosten für die transkontinentalen Netze machen den Wüstenstrom im Vergleich zum Strom von mitteleuropäischen Dächern schon heute unwirtschaftlich. Und der Trend hält an: Jeder weitere Preisrückgang der dezentralen Photovoltaik macht die riesigen Wüstenkraftwerke noch schwerer darstellbar.
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