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Nord-Süd-Gefälle in der BundesligaMehr ist nicht drin

Werder Bremen brach beim 1:3 gegen Bayern München in der zweiten Halbzeit ein. Das zeigte: Werders Problem ist nicht nur der Kampfgeist. Sondern die Qualität im Kader.

Da war er noch guter Laune: Per Mertesacker (r.) nach dem 1:0. Bild: dpa

HAMBURG taz | Eine gute Viertelstunde lang war alles so wie früher. Nach dem Kunstschuss von Werders Per Mertesacker zum 1:0 in der 47. Minute machte ein wohliges Gefühl die Runde durch das nach den Bauarbeiten wieder komplette Weser-Stadion. Der alte Südrivale schien endlich wieder am Boden und es wurde die Auferstehungshymne geschmettert: "Der SVW ist wieder da."

Zur Krönung dieses erhabenen Moments holte Werder-Trainer Thomas Schaaf den 18-jährigen Florian Trinks aus der Riege der Auswechselspieler zu sich, um ihn zu seinem ersten Bundesliga-Einsatz zu beordern. In die Euphorie des Augenblicks mischte sich die Hoffnung, dass auch an der Weser ein junges Wunderkind wie anderswo Mario Götze oder Julian Draxler das Licht der Welt erblicken könnte.

Der U-17-Weltmeister aus Gera war noch nicht auf dem Platz - da war alles wieder wie immer in den letzten Monaten. Da fiel die Bremer Abwehr in einen kollektiven Sekundenschlaf: Werders Verteidiger Per Mertesacker und Mikael Silvestre ließen Münchens Arjen Robben trotz Doppelbewachung den nötigen Raum zum Einschuss.

Schaaf brachte den jungen Trinks dennoch und mit seiner allerersten Ballberührung in der Bundesliga hätte der dann tatsächlich fast für die erneute Wende gesorgt.

Seine scharfe Hereingabe von rechts klärte Bayerns Luiz Gustavo mit einer gekonnten "Faustabwehr", wie es Werders Sportdirektor Klaus Allofs nannte - und alle im Stadion rechneten mit dem Elfmeter-Pfiff. Allein Schiedsrichter Thorsten Kinhöfer und der zuständige Linienrichter bewerteten die Szene anders.

Es wäre allerdings zu schmeichelhaft für die Bremer, hierin eine Schlüsselszene zu sehen. In der ersten Halbzeit agierten sie zwar tatsächlich auf Augenhöhe mit den Bayern - mit enorm hohem Aufwand und einfachen Mitteln.

Nach hinten wurde früh und effektiv gestört und nach vorn mit vielen langen Bällen und entschlossenem Nachrücken Druck aufgebaut. Dennoch hatten auch schon im ersten Durchgang die Münchner durch Gomez und Robben die klareren Einschussmöglichkeiten.

"Am Ende hatten wir leider nichts mehr entgegenzusetzen", sagte Florian Trinks und dieses Ende begann schon kurz nach dem Führungstreffer. Fast die komplette zweite Halbzeit ließen sich die Bremer trotz nicht nachlassendem Einsatz nach hinten drängen und kamen ihrerseits zu keiner einzigen Chance mehr.

Die individuellen Fehler von Silvestre, Prödl und Frings, die zu den beiden letzten Gegentreffern führten, waren eine Folge des ständig wachsenden Bayern-Drucks und des Kräfteverlustes auf Bremer Seite. Tim Wieses mit der roten Karte bestraftes Frust-Foul kurz vor Schluss passte da nur zu gut ins Bild.

So ist wohl die bitterste Erkenntnis dieser verdienten Niederlage, dass die Bremer im Moment selbst dann den Bayern nicht das Wasser reichen können, wenn sie vollen Einsatz zeigen. Die Rede vom vorhandenen Potenzial, das nur abgerufen werden müsste, um wieder nach oben zu kommen, ist endgültig widerlegt.

Kein Trainer der Welt könnte mehr aus dieser Truppe herausholen. Zu deutlich wurden im Vergleich mit der Dynamik von Münchens Robben und Müller die Grenzen von Werders Hunt und Marin aufgezeigt.

Und die Flügelläufe von Bayerns Gustavo und Lahm erinnerte das Bremer Publikum schmerzhaft daran, dass es ja auch Außenverteidigern erlaubt ist, für Gefahr beim Gegner zu sorgen.

Das haben auch die Verantwortlichen erkannt und erklären es bereits zum Erfolg, wenn die Mannschaft sich nicht so kampflos ergibt wie gegen den 1. FC Köln. "Das war eine gute Reaktion der Mannschaft auf die Niederlage in der vergangenen Woche in Köln", sagte Klaus Allofs.

Die Geschmeidigkeit, mit der der Rollenwechsel vom "Eigentlich-gehören-wir-in-die-Champions-League" zum "Wir-sind-nun-mal-der-Underdog" vorgenommen wird, macht allerdings stutzig. Selbstkritik an einer verfehlten Kaderplanung hört sich anders an.

Aber vielleicht macht die Befreiung von überzogenen Ansprüchen ja nun die Köpfe frei für den Abstiegskampf.

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