Nominierung für US-Supreme-Court: Absurde Fragen an die Kandidatin
Bei der Anhörung der nominierten Schwarzen Richterin Ketanji Brown Jackson im US-Justizausschuss packen die Republikaner*innen jede Menge Hass aus.
Es war nur eine der erstaunlichen und teils aggressiven Fragen, mit der die republikanischen Senator:innen die 51-jährige Richterin an den vergangenen Tagen überhäuften. Seit Montag sitzt Jackson in ihren Anhörungen vor dem Justiz-Ausschuss des US-Senats, der sie für den freiwerdenden Posten am Supreme Court empfehlen soll. Zumindest wenn es nach dem demokratischen US-Präsidenten Joe Biden geht, der sie für dieses Amt nominiert hat.
Sie wäre die erste Schwarze Frau in dieser Position, ebenso die erste mit Erfahrung als Pflichtverteidigerin. Harvard-Abschluss, ein Lebenslauf mit beeindruckenden Stationen, Erfahrungen in vielen Bereichen des US-amerikanischen Rechtswesens – an Qualifikationen mangelt es Jackson jedenfalls nicht.
Doch die Besetzung von Richter:innenposten am Supreme Court ist hart umkämpft. Die live übertragenen Befragungen sind für die Senator:innen des Justiz-Ausschusses zudem eine Möglichkeit, sich ausgiebig zu präsentieren – und die Republikaner:innen spielten dieses Mal auch schon ihre Karten für die kommenden Wahlkämpfe durch.
Konservative Talking Points gegen die Kandidatin
„Critical race theory“ ist einer ihrer Trümpfe. Der Begriff bezeichnet vereinfacht gesagt ein akademisches Konzept, das von einem tiefgehenden strukturellen Rassismus in der US-amerikanischen Gesellschaft ausgeht. Für Republikaner:innen ist der Begriff ein radikales Reizwort, mit dem sie verlässlich Aufregung bei ihrer Wähler:innenschaft generieren.
Jackson jedoch ließ sich nicht auf Diskussionen ein, als der Senator Ted Cruz sie danach fragte. Sie sagte, die „Critical race theory“ komme in ihrer Arbeit nicht vor. Später holte Cruz Bücher heraus: Diese seien den Schüler:innen der Washingtoner Privatschule empfohlen oder zum Lesen vorgeschrieben, in deren Kuratorium Jackson sitze – unter anderem das Buch „Antiracist Baby“. Jackson verwies darauf, dass diese Bücher nun nicht in ihrer Arbeit als Richterin vorkämen – und um über diese Arbeit zu sprechen, sei sie heute da.
Ein anderes Thema war schon gesetzt, bevor die 51-Jährige für die Befragungen erstmals an dem großen hölzernen Tisch in der Mitte des Raumes Platz genommen hatte: Missouris republikanischer Senator Josh Hawley hatte in den Tagen zuvor der Richterin vorgeworfen, vor allem Konsument:innen von Kinderpornografie mit Milde zu behandeln.
„Nichts könnte weiter entfernt von der Wahrheit liegen“, entgegnete Jackson am Dienstag. Es handele sich um einige der schwierigsten Fälle, mit denen Richter:innen zu tun hätten. Der rechtliche Rahmen dazu sehe nicht unbedingt die höchstmögliche Strafe vor, sondern weise dazu an, verschiedene Aspekte des Vergehens zu werten und eine ausreichende, nicht höher als notwendige Strafe zu verhängen.
Wut auf die Demokrat*innen geht gegen die Richterin
Expert:innen hatten den Vorwurf Hawleys zurückgewiesen – auch der konservative Jurist und Kommentator Andrew C. McCarthy, der vielbeachtet schrieb, die Behauptung erscheine „unbegründet und grenze an Demagogie“. Doch konzentrierten sich in den Anhörungen die Anstrengungen gleich mehrerer Senator:innen darauf, Jackson in dieser Hinsicht anzugreifen.
Hawley versuchte die Richterin mit Fragen nach einzelnen Fällen in die Enge zu drängen. Ob sie ihr Urteil in einem Fall von 2013 bereue? „Ich bereue, dass wir in einer Anhörung über meine Qualifikationen für das Richteramt am Obersten Gerichtshof viel Zeit damit verbracht haben, uns auf diese kleine Teilmenge meiner Urteile zu konzentrieren“, erwiderte Jackson.
Besonders bissig wurde South Carolinas Senator Lindsey Graham. Noch im Vorjahr war Graham einer der drei Republikaner:innen gewesen, der für Jacksons Bestätigung als Richterin am Bundesberufungsgericht der Hauptstadt Washington gestimmt hatte. Allerdings hätte er nun lieber die Bundesrichterin J. Michelle Childs aus South Carolina auf dem ledernen Bürostuhl gesehen, auf dem nun Jackson als designierte Verfassungsrichterin saß.
An der schien er nun seine Wut auszulassen – sogar darüber, wie sich die Demokrat:innen 2018 beim Bestätigungsprozess des konservativen Verfassungsrichters Brett Kavanaugh verhalten hätten. Damals hatten mehrere Frauen Missbrauchsvorwürfe gegen Kavanaugh erhoben, es kam zu heftigen Protesten gegen seine Ernennung. „Er wurde überfallen“, polterte Graham am Mittwoch. „Wie würden Sie sich fühlen, wenn wir das mit Ihnen täten?“
Cory Booker: „Sie haben sich diesen Platz verdient!“
Auch musste Jackson sich Vorwürfe anhören, in ihrer Rolle als Pflichtverteidigerin Insassen des Gefangenenlagers Guantánamo vertreten zu haben: Sie habe ihre Zeit und Talente nicht dafür genutzt, etwa Veteran:innen zu unterstützen, sondern Terroristen kostenlose Rechtsberatung gegeben, damit diese aus Guantánamo herauskämen und sich wieder dem Kampf anschlössen, hatte die Republikanerin Marsha Blackburn aus Tennessee bereits am Montag erklärt.
Am Dienstag legte Blackburn mit einem weiteren Kampfthema der Konservativen nach und zielte auf das Thema Geschlechtsidentität: „Können Sie eine Definition für das Wort ‚Frau‘ geben?“ Jackson wich aus: „Nicht in diesem Kontext. Ich bin keine Biologin.“ Sie wies darauf hin, dass es ihre Rolle als Richterin sei, sich mit Streitfällen zu befassen und auf Grundlage des Gesetzes zu entscheiden.
Nach Stunden der Attacken war es der demokratische Senator Cory Booker aus New Jersey, der kurz vor Ende der Sitzung mit einer emotionalen Ansprache dafür sorgte, dass sich Jackson die Tränen von der Wange wischen musste. Er betonte die historische Nominierung, welche Anstrengungen Jackson auf sich genommen habe, um dort anzukommen, wo sie sei. „Sie haben sich diesen Platz verdient.“
40.000 mal Danke!
40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Werben um Wechselwähler*innen
Grüne entdecken Gefahr von Links
Wahlverhalten junger Menschen
Misstrauensvotum gegen die Alten
Polarisierung im Wahlkampf
„Gut“ und „böse“ sind frei erfunden
Donald Trump zu Ukraine
Trump bezeichnet Selenskyj als Diktator
Kanzler Olaf Scholz über Bundestagswahl
„Es darf keine Mehrheit von Union und AfD geben“
Berlinale-Rückblick
Verleugnung der Gegenwart