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Nomen est Nonne

Das „Ultraschall“-Festival spürt den musikalischen Sprachspielen der Moderne nach

Im Dada zeigte es sich erstmals: Der Sprachlaut, seiner konkreten Bedeutung enthoben, nähert sich dem abstrakten Musiklaut. Ein ästhetischer Sprung, der sich in Kurt Schwitters’ „Sonate in Urlauten“ manifestierte. Der geschichtserfahrene Betrachter möchte meinen, dass Schwitters „Ursonate“ eine Entwicklung zu Ende brachte, in der seit dem 18. Jahrhundert in der Lyrik eine musikalisierte Sprache erkannt wurde und eine musikalische Grammatik und Rhetorik regelmäßig entworfen wie auch wieder verworfen wurden.

Aber die Lautpoesie des Dada bildet keinesfalls einen Schlusspunkt, sondern allenfalls ein Komma der Musikgeschichte. Denn mit der Lautpoesie begann eine Entwicklung, das Verhältnis von Sprache zu Musik grundlegend neu zu verhandeln. Komponisten der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts erfuhren Sprache nicht mehr bloß als Vorlage, sondern regelrecht als Material.

Rückendeckung erfuhr der ungewöhnliche Umgang mit Sprache vom experimentierwütig gewordenen Radiohörspiel, das in den Siebzigerjahren auch zahlreiche Komponisten in seien Bann zog. Darunter John Cage, der das neue Medium 1979 mit seinem avantgardistisches Oratorium „Roaratorio – Ein irischer Zirkus über Finnegans Wake“ zu klassischer Meisterschaft führte.

Cage wird selbst erkannt haben, dass er das Konzept einer literarisch-musikalischen Landschaft mit seinem Joyce-Hörstück lange nicht ausgereizt hatte. Er erstellte nachträglich eine Verbalpartitur, die es erlaubt, jede literarische Vorlage in einen oratorischen Zirkus zu verwandeln. Diesem Ruf folgte jetzt der Berliner Komponist und Journalist Volker Straebel, indem er Cages Partitur auf denjenigen Roman appliziert, im dem wie in keinem zweiten der Klang der Großstadt pulsiert: Alfred Döblins „Berlin Alexanderplatz“. Und wo Bearbeitungen dieses Romans üblicherweise den Plot, die Geschichte von Franz Biberkopf, extrahieren, kann sich Straebel eleganterweise auf die wildwüchsige Collagetechnik Döblins verlegen.

Straebels „Urban Circus on Berlin Alexanderplatz“ (2000) ist eines der Werke, mit dem das diesjährige „Ultraschall“-Festival dem verschlungenen Pfad von Literatur und Musik nachspürt. Das Festival, das von SFB und DeutschlandRadio Berlin gemeinsam und noch bis zum 28. Januar ausgetragen wird, erschließt dabei die zahlreichen Nebenwege, auf die sich komponierte Literatur in den vergangenen Jahrzehnten begeben hat.

Bezeichnenderweise spielt die ursprüngliche Form der musikalischen Textbehandlung, die Vertonung, kaum eine Rolle. Flüchtig wird der Konnex zwischen Literatur und Musik dort, wo sich der in Sprache gefasste Gedanke im instrumentalen Parlando niederschlägt. In Adriana Hölszkys Cellostück „Nouns to Nouns“ (1983) etwa evoziert ein kurzes, Sprache reflektierendes Gedicht statische Momentaufnahmen. Hölszky seziert den Klang so wie E. E. Cummings die Sprache, so dass aus dem „Nomen“ schließlich eine „Nonne“ wird.

Das Programm des Festivals erschöpft sich allerdings nicht in einem Katalog musikalischer Sprachspiele. Die fünfzehn Konzerte spannen vielmehr einen weiten Bogen über das Terrain der neuen Musik. Die „Lange Nacht des Klaviers“ streift durch die pianistische Literatur von Charles Ives bis Alvin Lucier. Eine Podiumsdiskussion knüpft an die streitbare Debatte um „Frauenmusik“ an. Und zahlreiche Porträtkonzerte erschließen das Oeuvre einzelner KomponistInnen, etwa das der noch jungen Unsuk Chim und Richard Barrett sowie des Altmeisters Bernd Alois Zimmermann und des Altmeisters in spe Walter Zimmermann. BJÖRN GOTTSTEIN

Vom 19. bis 28. Januar in den Sophiensaelen, Sophienstr. 18, den Sendesälen des SFB, Masurenallee 8-14 und in der Sophienkirche. Nähere Informationen zum Programm unter www.sfb.de

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