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Nokia bleibt hartNRW will Geld wieder haben

Wut über Schließung des Bochumer Nokia-Werks: SPD-Fraktionschef Struck und CSU-Minister Seehofer wollen Nokia boykottieren. Und die IG Metall droht: "Bochum wird stillstehen."

Die Opel-Belegschaft weiß, was es heißt, wenn die Werkschließung droht. Bild: ap

KÖLN taz Die geplante Schließung seines Bochumer Werks könnte den Nokia-Konzern teuer zu stehen kommen. Die nordrhein-westfälische Landesregierung lässt jetzt prüfen, ob sie bis zu 40,8 Millionen Euro Fördermittel von dem finnischen Handyhersteller zurückfordern kann. "Noch den letzten Groschen mitnehmen, und ein halbes Jahr nach Fristende sind sie weg - so geht das nicht", sagte Landeswirtschaftsministerin Christa Thoben (CDU) am Rande eines Krisentreffens von Vertretern der Belegschaft, von Stadt, Land und Gewerkschaften am Freitag in Bochum.

Es geht darum, ob Nokia der Verpflichtung nachgekommen ist, eine bestimmte Zahl von Arbeitsplätzen zu schaffen. Davon war die Bewilligung der Gelder 1998 und 1999 abhängig gemacht worden. Wie es heißt, hätte das Unternehmen mindestens 2.856 unbefristet festangestellte Arbeitnehmer beschäftigen müssen. Thoben: "Wenn die Zahlen stimmen, die uns bisher vorliegen, ist die Einhaltung dieser Beschäftigungszusagen verletzt worden." Sollte sich dies als richtig erweisen, könnte die im September 2006 ausgelaufene Bindungsfrist unerheblich sein.

Mittlerweile empören sich auch führende Politiker der schwarz-roten Koalition in Berlin über die Schließung des Nokia-Werks. So kündigten Verbraucherschutzminister Horst Seehofer (CSU) und SPD-Fraktionschef Peter Struck an, künftig auf ihre Nokia-Handys verzichten zu wollen. Kanzlerin Angela Merkel (CDU) forderte den skandinavischen Handyhersteller zur Offenlegung seiner Motive für die angekündigte Werksschließung in Bochum auf. "Das Vorgehen des Unternehmens wirft aus Sicht der Bundeskanzlerin noch viele Fragen auf", sagte der stellvertretende Regierungssprecher Thomas Steg. Zurzeit konzentrierten sich alle Anstrengungen darauf, "möglichst viel für den Standort und für die Beschäftigten herauszuholen". Dazu sollte auch ein Treffen von Vertretern der Bundesregierung mit Nokia-Managern am Freitagnachmittag in Berlin dienen.

Bundesfinanzminister Peer Steinbrück (SPD) warnte allerdings, "man sollte da keine falschen Hoffnungen wecken oder entstehen lassen", dass das Unternehmen seine Entscheidung gegen Bochum wieder revidieren werde. Die angekündigte Verlegung des Bochumer Werks nach Rumänien bezeichnete Steinbrück als "Ausdruck eines Karawanenkapitalismus, von dem viele wissen müssen, dass er die Zustimmung zu diesem Wirtschafts- und Gesellschaftsmodell systematisch unterminiert". Die Menschen verlören Vertrauen, das sei "eminent gefährlich". In Steinbrücks Zeit als NRW-Wirtschaftsminister flossen beträchtliche Landessubventionen an Nokia.

Aus der Nokia-Zentrale in Finnland gibt es weiterhin keinerlei Signale auf ein Einlenken. Stattdessen bekräftigte das Unternehmen am Freitag nochmals seine Schließungspläne. Derweil formierte sich bei den Nokianern in Bochum der Widerstand. "Wir haben eine Belegschaft, die kampfbereit ist", sagte die Betriebsratsvorsitzende Gisela Achenbach. So lange es geht, würden sie um den Erhalt des Werks kämpfen. "Dabei werden wir nicht streiken, denn dann bekäme Nokia womöglich Argumente gegen die Belegschaft in die Hand", so Achenbach. Allerdings ist geplant, dass bei der Großdemonstration am Dienstag alle drei Schichten nicht arbeiten. Zu den Protesten haben sich neben Beschäftigten anderer Firmen aus der Ruhrgebietsstadt auch streikerprobte Opelaner angekündigt, sagte die Bochumer IG Metall-Beauftragte Ulrike Kleinebrahm. Sie rechnet mit 10.000 Teilnehmern. "Bochum wird stillstehen!", sagt sie.

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