: Noch einmal hoch hinaus
Eiskunstlauf Aljona Savchenko hat mit ihrem neuen Partner Bruno Massot bei der Weltmeisterschaft in Boston überraschend Bronze geholt. Nun träumt sie von Gold bei der Winterolympiade 2018
AUS Boston Doris Henkel
Als Aljona Savchenko an einem kalten Märzabend vor acht Jahren in Göteborg zum ersten Mal Weltmeisterin wurde, da war in ihrem Gesicht keine Spur von Freude zu erkennen. Sie wirkte müde, zermürbt von anstrengenden Tagen, und Partner Robin Szolkowy ging es nicht besser. Als Savchenko am Wochenende in Boston begriff, dass sie mit Bruno Massot, dem neuen Mann an ihrer Seite, Bronze gewonnen hatte, da wurde die Freude sichtbar. Sie glaubt, dass es jetzt erst richtig losgehen wird. „Ich hab noch mal die Chance, meinen Traum zu leben“, sagt sie. „Und ich will das alles genießen.“
Von Anfang an dachte sie, dass der fünf Jahre jüngere Franzose für den dritten Teil ihrer Karriere der Richtige sei; sie hatte ihn schon ausgesucht, als der letzte Wettbewerb mit Szolkowy vor zwei Jahren noch nicht beendet war. Andere sahen die Sache mit größerer Skepsis. Nach einem Sichtungslaufen der Deutschen Eislauf-Union (DEU) in Berlin gab es Zweifel, etwa bei der Vizepräsidentin der DEU, Elke Treitz, die damals fand, da gebe es aber reichlich zu tun. Jetzt sagt sie: „Super, wie die beiden gearbeitet haben. Bruno ist auf einem anderen Level angekommen.“
Alle hatten vorher gesagt, mit einer Medaille in Boston könne man noch nicht rechnen. Alle bis auf Aljona Savchenko. Eine Woche vor dem Wettbewerb stieg sie auf neue Schlittschuhe um, weil die alten nichts mehr taugten. Normalerweise nehmen sich Eiskunstläufer Monate lang Zeit, um sich mit neuen Schuhen anzufreunden, doch Savchenko zog die Sache durch, wie immer auf Teufel komm raus.
Mit einer guten Kür, das wusste sie nach dem Kurzprogramm, war eine Medaille drin, und die beiden schafften es unter erschwerten Bedingungen. Denn sie mussten unmittelbar nach den Kanadiern Duhamel/Radford aufs Eis, die ihren Titel mit einer Eins-a-Kür inklusive eines vierfachen Wurf-Salchows erfolgreich verteidigten, quasi mitten hinein in den Jubel des Publikums. Aber bis auf ein paar kleine Patzer lief alles bestens, vor allem mit ihrem spektakulärsten Element, dem dreifachen Twist. Manchmal, sagt Savchenko, sei sie so weit oben in der Luft, dass sie schreien müsse. Kein Paar der Welt hat diese Luftnummer im Moment besser drauf, und es sollte niemanden überraschen, wenn aus diesem dreifachen Twist im nächsten Winter ein vierfacher wird; das jedenfalls ist der Plan.
Vor dem letzten Paar, den Olympiasiegern und aktuellen Europameistern Wolossoschar/Trankow, lagen Savchenko/Massot auf Platz drei, und da blieben sie auch, weil die Russen diesmal nichts zu bieten hatten, was für einen Platz auf dem Podium gereicht hätte. Aljona Savchenko wünscht sich nun zunächst definitiv vor allem eines: die Goldmedaille bei den Olympischen Spielen 2018 in Südkorea.
Nach dem Herbst der Ungewissheit, wann endlich die Freigabe des französischen Verbandes für Massot kommen würde, endet die erste Saison für das Paar mit der bereichernden Erkenntnis, auf dem richtigen Weg zu sein. Trainer Alexander König lobte den Franzosen für dessen Ehrgeiz und die Bereitschaft, sich auf viele Dinge einzulassen, die er bis dahin nicht kannte. Und er lobte Savchenko. „Sie ist für alle Experimente offen im Training. Sie hat mir nie das Gefühl gegeben: Was willst du mir jetzt noch beibringen, ich bin ja fünfmalige Weltmeisterin.“
Auf der Liste für die zu erledigenden Aufgaben in diesem Jahr steht die Suche nach einem Ballettmeister, der dem großartigen Werfer und Heber Massot noch ein wenig Eleganz näherbringen kann. Und mit der Arbeit an neuen Programmen wird es gleich weitergehen. In dieser Woche werden sich Savchenko und Massot und die dazu gehörenden Partner auf den Weg nach Miami machen, um dort mit einem Choreografen an einem neuen Kurzprogramm zu arbeiten. Es soll eine Mixtur aus Urlaub und Arbeit werden. Es gibt schließlich noch wichtige Ziele zu erreichen.
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