Nobelpreis geht nach Liberia und Jemen: Drei Bürgerrechtlerinnen ausgewählt
Den Friedensnobelpreis bekommen in diesem Jahr die Bürgerrechtlerinnen Ellen Johnson Sirleaf und Leymah Gbowee aus Liberia sowie Tawakkul Karman aus dem Jemen.
![](https://taz.de/picture/246747/14/sirleaf_dapd.jpg)
OSLO/ADDIS ABEBA/SANAA dpa/afp | Das Nobelkomitee belohnt in diesem Jahr die Erfolge von Frauen der Demokratiebewegung in Afrika und der arabischen Welt. Liberias Präsidentin Ellen Johnson-Sirleaf (72), die liberianische Menschenrechtlerin Leymah Gbowee (39) und Tawakkul Karman aus dem Jemen haben am Freitag den Friedensnobelpreis 2011 zuerkannt bekommen.
Komiteechef Thorbjørn Jagland begründete die Entscheidung in Oslo mit dem erfolgreichen Einsatz der beiden Frauen aus Liberia zur Beendigung des Bürgerkrieges in ihrem Land nach 13 Jahren. Karman gilt als eines der bekanntesten Gesichter der Protestbewegung im Jemen.
Ellen Johnson-Sirleaf
Die 72-jährige Liberianerin Ellen Johnson-Sirleaf hat eine atemberaubende Karriere hinter sich: Sie hat in Harvard studiert und erklomm anschließend Schritt für Schritt die Karriereleiter - unter anderem bei den Vereinten Nationen und der Weltbank. Den Höhepunkt ihrer Laufbahn erreichte sie, als sie 2006 als erster weiblicher Staatschef Afrikas vereidigt wurde.
"Dies öffnet die Tür für Frauen auf dem gesamten Kontinent", sagte Johnson-Sirleaf damals. "Und ich bin stolz darauf, dass ich diejenige bin, die die Tür öffnet." Obwohl sie als "Eiserne Lady" gilt - integer, unbeugsam und willensstark - war die Aufgabe, die sie dann erwartete, alles andere als einfach.
Die 1938 in Monrovia geborene Ökonomin musste die Zügel eines Landes in die Hand nehmen, das nach mehr als zehn Jahren Bürgerkrieg am Rande des Abgrunds stand. Eine der Prioritäten der vierfachen Mutter und achtfachen Großmutter war von Anfang an die Reintegration traumatisierter Ex-Kindersoldaten.
Zudem hat sie eine "Wahrheits- und Versöhnungskommission" nach südafrikanischem Vorbild eingerichtet, die die Schreckenstaten des Bürgerkriegs untersuchen und Frieden und Stabilität in dem Krisenland wiederherstellen soll.
Die Zeitschrift "Newsweek" wählte sie 2010 in die Top-Ten der besten Staatschefs der Welt, der "Economist" bezeichnete sie als beste Präsidentin, die Liberia je hatte. Johnson-Sirleaf hat für ihre unermüdliche Arbeit schon vor dem Friedensnobelpreis zahlreiche Auszeichnungen erhalten.
Leymah Roberta Gbowee
1972 in Monrovia geboren, hat die liberianische Bürgerrechtlerin Leymah Roberta Gbowee den Friedensprozess in dem ehemaligen westafrikanischen Bürgerkriegsland maßgeblich vorangetrieben. Vor zehn Jahren wurde sie Koordinatorin der Organisation "Women in Peacebuilding". Ein Jahr später gründete sie die Bewegung "Women of Liberia Mass Action for Peace".
Gewaltfreie Protestaktionen von Frauen und Müttern gegen den damaligen Präsidenten Charles Taylor standen im Mittelpunkt ihrer Initiativen. Als Zeichen für Reinheit und Friedenswillen trugen alle Teilnehmerinnen damals konsequent weiße Kleidung.
Stifter des Preises ist der schwedische Erfinder des Dynamits, Alfred Nobel (1833-1896). Die Preisträger sollen "den besten oder größten Einsatz für Brüderlichkeit zwischen Staaten, für die Abschaffung oder Abrüstung von stehenden Heeren sowie für die Organisation und Förderung von Friedenskonferenzen" gezeigt haben. Der Preis ist mit zehn Millionen schwedischen Kronen (knapp 1,1 Millionen Euro) dotiert. Im vergangenen Jahr wurde der inhaftierte chinesische Oppositionelle Liu Xiaobo und davor US-Präsident Barack Obama ausgezeichnet. Letzter deutscher Preisträger war 1971 der damalige Bundeskanzler Willy Brandt.
Mit der Wahl Gbowees wurde betont, welch wichtige Rolle Frauen bei der Lösung von Konflikten und beim Schaffen von Frieden spielen. Schon in ganz jungen Jahren arbeitete die heute 39-Jährige als Streetworkerin. Sie versuchte, den unzähligen vom Krieg gezeichneten liberianischen Kindern und Jugendlichen zu helfen.
Gbowee, die in den USA am Eastern Mennonite University in Harrisonburg (Virginia) studierte, wurde zudem 2004 in die Wahrheits- und Versöhnungskommission von Liberia berufen, die es sich nach südafrikanischem Vorbild zur Aufgabe gemacht hat, Dialog und Stabilität wiederherzustellen. 2006 wurde sie zur regionalen Beraterin des "Women Peace and Security Network Africa" ernannt. Heute leitet sie die Organisation.
Tawakkul Karman
Die jemenitische Frauenrechtlerin Tawakkul Karman widmet die Auszeichnung dem arabischen Frühling. Die Auszeichnung sei eine Ehre für alle Araber, Muslime und Frauen, sagte Karman am Freitag dem in Dubai ansässigen Sender El Arabija. "Ich widme diesen Preis den Aktivisten des arabischen Frühlings."
Karman ist die erste Araberin, die den Friedensnobelpreis erhält. Menschenrechte, Demokratie und Meinungsfreiheit - das sind die drei Prinzipien, an denen sich die neue Friedensnobelpreisträgerin Tawakkul Karman (32) orientiert. Was einfach klingt, erfordert in ihrer Heimat, dem Jemen, viel Mut. Denn die Mutter von drei Kindern ist schon von vielen Seiten angefeindet worden. Das Regime von Präsident Ali Abdullah Saleh hat versucht, sie mundtot zu machen. Radikale Islamisten haben ihr vorgeworfen, sie versuche, die Frauen zur Rebellion gegen ihre Männer anzustacheln.
Angefangen hatte Karmans "Protestkarriere", als sie erlebte, wie ein einflussreicher Scheich in der Provinz Ibb Familien von ihrem Land vertrieb. Die Journalistin begann, zu überlegen, wie man gegen Arbeitslosigkeit und Ungerechtigkeit kämpfen könnte und kam zu dem Schluss, das dies ohne einen Wechsel in der Führungsetage in Sanaa nicht zu bewerkstelligen ist. In den vergangenen Monaten stand sie bei den Demonstrationen in Sanaa oft in der ersten Reihe.
40.000 mal Danke!
40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Tabubruch der CDU
Einst eine Partei mit Werten
Jugendliche in Deutschland
Rechtssein zum Dazugehören
Jens Bisky über historische Vergleiche
Wie Weimar ist die Gegenwart?
Krieg und Rüstung
Klingelnde Kassen
Mitarbeiter des Monats
Wenn’s gut werden muss
Social-Media-Star im Bundestagswahlkampf
Wie ein Phoenix aus der roten Asche