Nina Apin über die neue Wählerschaft der Rechtspopulisten: Kampf der Kulturen
Und schon wieder hat ein Wahlvolk das Unfassbare getan. Amerikas Wählerschaft hat den Politamateur Trump zum Präsidenten gemacht. Wie sich zuvor die Briten für den Austritt aus der Europäischen Union entschieden. Oder die Österreicher um ein Haar einen Rechtspopulisten zum Staatsoberhaupt gewählt hätten – und es im zweiten Wahlgang vielleicht auch noch tun.
Wie konnten die nur? Und wie blöd sind die eigentlich? Diese bangen bis ärgerlichen Fragen stellen sich auch jetzt wieder alle, die sich selbst der vernünftigen Seite zurechnen.
Man kann sich schon fragen, warum Frauen einen bekennenden Sexisten wählen. Warum Menschen in ökonomisch prekärer Lage jemanden unterstützen, der sich noch nie für Arme eingesetzt hat. Warum sogar Menschen, die doch eigentlich alles haben, sich Modernisierungsängsten hingeben. Blöde. Irrational. Verrückt. So verständlich und frustabbauend solche Reflexe erst einmal sind: Sie helfen überhaupt nicht weiter.
Trumps Wahl ist alles andere als ein Betriebsunfall. Wie die Statistiken zeigen, haben ihn 53 Prozent der weißen Frauen und 63 Prozent der weißen Männer gewählt. Selbst Latinos gaben ihm ihre Stimme – und das, obwohl er eine Mauer zu Mexiko bauen und Obamas Pläne zur Einwanderungsreform einstampfen will. Haben sie ihn gewählt, weil sie so dumm sind, dass sie nicht wissen, wer gut für sie ist?
An mangelnder Bildung liegt es zumindest nicht: 45 Prozent der Trump-Wähler haben einen College-Abschluss, 37 Prozent einen noch höheren Bildungsabschluss. Vielmehr liegt nahe, dass die Entscheidung für den minderheitenfeindlichen Populisten nicht mangelnder Intelligenz entsprang. Emotional, ja, das war diese Wahlentscheidung wohl – aber doch bewusst. Dass nach einem schwarzen, liberalen Präsidenten jetzt so viele einen weißen Mann wollen, der den größtmöglichen Abstand zum liberalen, international orientierten Washingtoner Politikbetrieb verkörpert – das ist mehr als eine Gegenreaktion des „rückschrittlichen“ Amerikas nach acht Jahren Obama. Es ist Ausdruck eines Kulturkampfes, der nach einigen Ländern Europas jetzt auch Amerika erreicht hat.
In diesem Kampf verlaufen die Gräben nicht mehr zwischen den Parteilinien demokratisch und republikanisch, sondern zwischen Stadt und Land, weiß und nichtweiß, religiös und nichtreligiös, nationalistisch und globalisierungsbejahend. Dieser Kampf wird, wie auch Trumps Wahlkampf, im vorpolitischen Raum verhandelt, anhand von Lebensentwürfen, Identitäten und Erzählungen. Deshalb ist ihm mit herkömmlichen politikwissenschaftlichen Deutungen auch so schlecht beizukommen.
Was gerade in den USA passiert, gibt posthum dem amerikanischen Politologen Samuel Huntington recht, der 1996 einen „Kampf der Kulturen“ vorausgesehen hatte: Huntingtons Clash-of-Civilizations-These, deren Fixierung auf Weltreligionen und damit verbundene Kulturen problematisch ist, prognostizierte in seinem viel diskutierten Buch immerhin auch, dass kulturelle Überzeugungen staatliche Ordnungen und Rechtssysteme überrollen würden. Huntington wurde in den Neunzigern als Alarmist belächelt, Star der Liberalen und Linken war dagegen der Politologe Francis Fukuyama, der in „Das Ende der Geschichte“ einen endgültigen Sieg der liberalen Demokratien und Wirtschaftsordnungen voraussagte.
Zwanzig Jahre später ist diese Erzählung, wonach entwickelte demokratische Nationen quasi zwangsläufig dem Liberalen zustreben, Geschichte. Es lösen sich politische Lager eben nicht auf, indem die großen Volksparteien alle einvernehmlich auf die Mitte und den gesellschaftlichen Konsens zusteuern. Stattdessen stehen jetzt unversöhnlich wie lange nicht zwei verschiedene Lebensmodelle gegeneinander. Globalisierung, Moderne und Pluralität – oder Heimat, Gott und Vaterland.
Dass ausgerechnet Amerika, das Land, das lange als Inbegriff der Moderne galt, sich für Letzteres entschieden hat, ist erschreckend. Denn es zeigt, dass das eingeübte westliche Demokratiemodell, der große Konsens, für viele nicht mehr funktioniert. In Europa rüsten sich die Populisten einiger Länder schon für die Machtübernahme.
Es wird deshalb Zeit, die Populismuswelle endlich ernst zu nehmen und sich von den gewohnten Reflexen zu verabschieden. Wähler für dumm zu erklären, reicht nicht. In einem Kampf der Kulturen muss die Seite, die in die Defensive zu geraten droht, endlich beginnen, inhaltlich zu kämpfen. Um jeden Einzelnen.
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