Niedriglöhne auf dem Vormarsch: Die flexiblen Deutschen
Im internationalen Vergleich ist in Deutschland der Niedriglohnsektor stark gewachsen, und es gibt mehr unsichere Beschäftigungsformen, zeigt eine neue Studie.
Ob Zeitarbeit, Minijobs oder Niedriglöhne - Deutschlands Arbeitsmarkt hat in den letzten Jahren einen deutlichen Umbau erfahren. In etlichen Bereichen ist hierzulande die sogenannte Flexibilisierung der Joblandschaft auch schneller vorangetrieben worden als in anderen Ländern. Zu diesem Schluss kommt die neue Studie "Atypische Beschäftigung und Niedriglohnsektor" der Bertelsmann Stiftung, in der die Länder der Europäischen Union bzw. der OECD in den Blick genommen werden.
Beispiel Zeitarbeit: Zwar würden hierzulande lediglich 1,6 Prozent aller geleisteten Arbeitsstunden in Zeitarbeit erbracht, doch habe die Ausweitung dieses Sektors in den letzten Jahren eine "deutliche Steigerung" erfahren und Deutschland werde in seiner "starken Liberalisierung" der Zeitarbeit nur von den südeuropäischen Ländern übertroffen, stellen die Forscher fest.
Sie bestätigen zudem einen Trend, den bereits eine Studie der Otto Brenner Stiftung im August 2009 diagnostizierte: Zeitarbeit dient längst nicht mehr als "kurzfristiger Flexibilitätspuffer". Vielmehr habe sich "die Zeitarbeit nach den letzten Reformen als Randsegment im verarbeitenden Gewerbe etabliert". Also gerade dort, wo traditionell eine hohe Tarifvertragsdichte und eine vergleichsweise gute Entlohnung das Bild bestimmten.
Kritisch gehen die Autoren dabei mit dem immer wieder bemühten "Klebeeffekt" ins Gericht. Es gebe keine "belastbaren Hinweise auf eine Brückenfunktion", das heißt keine Übernahme von Zeitarbeitern in reguläre Beschäftigung, schreiben sie. Sie empfehlen eine "Annäherung der Arbeitsbedingungen in der Zeitarbeit an die Entlohnung und die Arbeitsbedingungen der Kernbelegschaften".
Wenig überzeugt ist die Studie auch von den 400-Euro-Minijobs, einer "deutschen Besonderheit". Diese nur "suboptimale Teillösung für das Problem hoher Arbeitskosten im Dienstleistungssektor" verschärft nach Ansicht der Forscher nicht nur das Problem niedriger Stundenlöhne, sondern unterminiere auch die Finanzierung des Sozialversicherungssystems.
Sie sprechen sich deswegen gegen eine Ausweitung von Minijobs, aber auch weiterer Kombilohnmodelle und höherer Hinzuverdienstmöglichkeiten im Bereich Arbeitslosengeld II ("Hartz IV") aus. Insgesamt habe sich die "marginale Teilzeitbeschäftigung" hierzulande zwischen 1999 und 2008 "in einer beachtlichen Geschwindigkeit von etwa 3,7 auf beinahe 5 Millionen (Jobs) erhöht".
Als "besonders ausgeprägt" beschreibt die Studie zudem die Entwicklung der hiesigen Lohnungleichheit. Unter 17 OECD-Ländern habe Deutschland zwischen 2000 und 2007 dabei die größte Zunahme zu verzeichnen. Auch im europäischen Vergleich weise Deutschland eine "ausgeprägte Lohnspreizung" auf. Niedriglöhne betreffen vor allem das Baugewerbe und den Dienstleistungssektor - und damit vor allem Arbeitnehmer ohne Berufsabschluss, Frauen, Jüngere und Ausländer.
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