piwik no script img

Niedersächsische PDS gibt dem Druck aus Berlin nach

■ Die Genossen in Hannover ziehen den eigenen Wahlbeschluß, an den Landtagswahlen in Niedersachsen teilzunehmen, wieder zurück. PDS-Führung will Neuanfang beim Westaufbau

Berlin (taz) – Der Druck der Berliner PDS-Zentrale auf die Landesverbände der Partei im Westen hat erstmals Wirkung gezeigt. Die niedersächsische PDS hat ihren eigenen Beschluß, an den Wahlen in Niedersachsen am 1. März 1998 mit einer Landesliste teilzunehmen, wieder zurückgenommen. Gerhard Schröder wird das verkraften. Vorsorglich hatte er vor ein paar Tagen erklärt, daß eine Tolerierung durch die PDS – geschätztes Wahlergebnis zwischen 0,5 und 0,6 Prozent – für ihn im Moment nicht so das Thema sei.

Ihren Beschluß haben die niedersächsischen Genossen am Sonntag abend nicht ganz freiwillig gefaßt. Mitten hinein in ihren Parteitag flatterte ein Fax aus Berlin. Die Bundesschiedskommission der PDS teilte darin kurz und bündig mit, was sie soeben in einer Eilentscheidung beschlossen hatte: Der Wahlbeschluß der Niedersachsen, ihre Kandidatenliste für die Landtagswahlen auch Mitgliedern der DKP zu öffnen, sei unzulässig. Er widerspreche sowohl dem Statut der PDS als auch den Beschlüssen des Schweriner Parteitags von Januar 1997. Sollte der Landesparteitag eine solche Liste beschließen, so die Schiedskommission, dann sei sie ungültig.

Das saß. Zähneknirschend hoben die niedersächsischen Genossen ihren eigenen Beschluß wieder auf. Mit der starken Berliner Zentrale wollte sich der kleine Landesverband (knapp 300 Mitglieder) dann doch nicht anlegen. Ziemlich unverhohlen hatte Bundesgeschäftsführer Dietmar Bartsch vorher gedroht, den Niedersachsen den Geldhahn für den Wahlkampf abzudrehen, wenn sie sich nicht so entscheiden sollten, wie es die Zentrale wünscht.

Die PDS-Führung befindet sich in einem Dilemma. Will sie die von ihr propagierte Perspektive der PDS als gesamtdeutsche sozialistische Partei nicht aufgeben, muß sie am Westaufbau festhalten. Andererseits fürchtet sie nichts so sehr, wie die Nullkommairgendwas-Ergebnisse ihrer westlichen Landesverbände. Die reformerische Parteispitze hat Angst vor einem Image als Verliererpartei, das ihr bei den Bundestagswahlen 1998 die Tour auch im Osten vermasselt. Deswegen ist es ihr Ziel, die West-Landesverbände, mit denen sie politisch über Kreuz liegt, umzukrempeln.

Nicht ganz zufällig nach der Entscheidung in Niedersachsen fordern rund 180 Mitglieder und Funktionäre der West-PDS eine Art Neuanfang. In einer großen Anzeige in der gestrigen Ausgabe des Neuen Deutschland fordern sie eine „neue Qualität“ beim Westaufbau der Partei. Sie kritisieren einige Landesverbände, die unter dem Deckmantel ihrer Eigenständigkeit ein „sektiererisches Parteikonzept“ verfolgen würden. Die Ursache für die innerparteilichen Spannungen liege aber auch beim Parteivorstand, der die gesamte West-PDS als sektiererisch und politikunfähig stigmatisiere. Der Aufruf steht unter der Überschrift: „Wir wollen PDS auch im Westen.“ Angesichts der Querelen kann man da nur antworten: Wollen kann man vieles. Jens König

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen