Niedersachsens SPD in der Selbstkritik: Hilf der CDU, schlag dich selbst
"Profillose Partei, profilloser Wahlkampf" - bei der letzten Landtagswahl erzielte die SPD das schlechteste Ergebnis seit dem Krieg. Jetzt kommt die Abrechnung aus den eigenen Reihen.
HANNOVER taz Zuerst wurde sie von der CDU zerlegt, jetzt zerlegt sich die SPD in ihrem einstigen Stammland Niedersachsen selber. "Eine profillose Partei hat einen profillosen Wahlkampf geführt", und Wolfgang Jüttner, SPD-Spitzenkandidat bei der Landtagswahl Ende Januar, sei "zu keinem Zeitpunkt eine ernsthafte Alternative" zu CDU-Ministerpräsident Christian Wulff gewesen, schreiben Stephan Weil und Thomas Oppermann in einem parteiinternen Brandbrief, der der taz vorliegt.
Die Autoren sind keine SPD-Hintersassen: Weil ist Oberbürgermeister in Hannover, Oppermann, bis 2003 Wissenschaftsminister in Niedersachsen, ist heute Parlamentarischer Geschäftsführer der SPD-Bundestagsfraktion. "Niederschmetternd" sei das Ergebnis der Landtagswahl gewesen, befinden die Sozialdemokraten. Während die SPD in Hessen und Hamburg zulegen konnte, hatte sie in Niedersachsen mit 30,3 Prozent das schlechteste Ergebnis seit dem Krieg eingefahren. Im Vergleich zu 1998, als der damalige Ministerpräsident Gerhard Schröder antrat, halbierte sich die Zahl der SPD-Wähler auf eine Million.
Im Fokus der Kritik: der farblose Jüttner und Landesparteichef Garrelt Duin. Der 39-jährige Ostfriese war bundesweit bekannt geworden, als er sich als Einziger im SPD-Vorstand gegen Kooperationen mit der Linkspartei in westdeutschen Bundesländern ausgesprochen hatte, die Kurt Beck befürwortete.
Weil und Oppermann gehen den von Duin organisierten Wahlkampf frontal an: Der SPD-Slogan "Gerechtigkeit kommt wieder" habe "unterschwellig die Kampagne der Linkspartei unterstützt" und die Mehrheit der SPD-Wähler verprellt. Das Schulkonzept der SPD sei so kompliziert formuliert gewesen, dass "es ein Großteil der eigenen Mitglieder nicht verstanden habe".
Zudem habe die Partei ein "offenkundiges Führungsproblem", meinen Oppermann und Weil. Hauptschuldiger: Duin, der sich 2007 entschieden hatte, nicht für den Landtag zu kandidieren, sondern im Bundestag zu bleiben. Das habe der SPD geschadet. Fraktionschef Jüttner will sein Amt in zwei Jahren abgeben, Duin hat noch nicht erklärt, ob er bei der Wahl 2013 nach Hannover wechseln will. Mit einem "Landesvorsitzenden ohne direkten Einfluss im Landtag wird es nicht einfach sein, das Profil der Partei für die Zukunft zu schärfen", meinen die Kritiker.
Duin reagierte kühl: Er könne nicht auf "jede Eingabe" von Parteimitgliedern reagieren, sagte er zur taz. Zudem "freue" er sich, "wenn sich Oppermann und Weil künftig stärker in der Landes-SPD einbringen wollen".
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