Niedersachsen-“Tatort“: Traumatisiert nach Mali-Einsatz
Kommissarin Lindholm kommt dem Tod ungemütlich nahe und dubiosen Experimenten auf die Spur. Ein „Tatort“ über den militärisch-industriellen Komplex.
Viele „Tatort“-Episoden kranken daran, dass sich die jeweils zuständigen Autor*innen um die Biografien ihrer Figuren kaum scheren. Zuweilen ergeben sich daraus massive Irritationen, so, wenn ein altgedienter Kommissar plötzlich angeblich langjährigen Freunden begegnet, von denen das Publikum vordem nie gehört hat.
Bei einer länger laufenden Serie oder Reihe, die auf früheren Ereignisse aufbaut, müssen sich neue Autor*innen in die Vorgeschichte vertiefen. Die Wahrung der Kontinuität ist bei Fortsetzungsgeschichten Aufgabe der verantwortlichen Redakteur*innen. In letzter Hand liegt sie bei den leitenden Produzent*innen, die im Englischen seit etwa Anfang der 2000er Jahre „Showrunner“ heißen. Nur ein neuer Begriff für eine seit Hörfunkzeiten übliche Funktion.
Die „Tatort“-Beiträge mit der LKA-Kommissarin Charlotte Lindholm (Maria Furtwängler) zeichneten sich früh schon dadurch aus, dass im privaten, teils auch im beruflichen Bereich eine Fortschreibung stattfand. Mittlerweile ist die Hauptkommissarin nach Göttingen strafversetzt.
Dort machte sich Lindholm bei der auch nicht gerade unkomplizierten Anaïs Schmitz (Florence Kasumba) gleich bei der ersten Begegnung unbeliebt. Die Spannungen zwischen den beiden wurden, anders als so oft, nicht zum Ende hin harmonisch aufgelöst.
Traumatisierte Soldat*innen
Die Fortsetzung „Krieg im Kopf“ beginnt hochdramatisch. Ein Geiselnehmer namens Benno Vegener (Matthias Lier) hält Lindholm ein Messer an die Kehle. Schmitz hat die Waffe im Anschlag. Lindholm versucht, auf Vegeners krude Worte einzugehen. Offenbar steht der Mann unter Drogen, faselt von Stimmen in seinem Kopf. Am Ende bleibt Schmitz keine Wahl.
Die Untersuchung ergibt, dass Vegener als Soldat traumatisiert von einem Einsatz in Mali zurückgekehrt war. Zwei Kameraden begingen Selbstmord, eine beteiligte Soldatin sitzt im Rollstuhl, kann aber dank einer neuartigen Operation wieder stehen. Es verstärkt sich der Eindruck, dass die Vorgänge in Mali unbedingt vertuscht werden sollen. Die Spuren führen zu einem Rüstungskonzern, der auf dem Gebiet der technischen Bewusstseinskontrolle forscht.
Der Drehbuchautor Christian Jeltsch lehnt sich an das Forschungsprogramm „MKultra“ des CIA an und arbeitet aktuelle Entwicklungen wie die Mikrowellenwaffe „Active Denial System“ in die Geschichte ein, denkt all das ein bisschen weiter. Es geht um Visionen zur Überwachung, die gerade in Krisensituationen schneller Realität werden könnten als gedacht.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Internationaler Strafgerichtshof
Ein Haftbefehl und seine Folgen
Krieg in der Ukraine
Geschenk mit Eskalation
Umgang mit der AfD
Sollen wir AfD-Stimmen im Blatt wiedergeben?
Krieg in der Ukraine
Kein Frieden mit Putin
Warnung vor „bestimmten Quartieren“
Eine alarmistische Debatte in Berlin
Nan Goldin in Neuer Nationalgalerie
Claudia Roth entsetzt über Proteste