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NiederlandeFolkerts gegen die Königin

Wegen eines Mordes in Utrecht soll das Ex-RAF-Mitglied Knut Folkerts erneut in Haft. Nun klagt er gegen die Krone.

"Braucht endlich Rechtssicherheit": Knut Folkerts auf einem Polizeifoto von 1974 Bild: ap

FREIBURG taz Ex-RAF-Terrorist Knut Folkerts saß 18 Jahre in Haft. Längst führt er wieder ein normales Leben. Doch die Niederlande wollen, dass er wegen eines Polizistenmordes aus den 70er-Jahren noch einmal ins Gefängnis muss - für fast zwei Jahrzehnte. Seine Anwältin Ulrike Halm lehnt das ab, doch die rechtliche Klärung kommt nicht voran.

1980 wurde Knut Folkerts in Stuttgart zu lebenslanger Haft verurteilt. Vorgeworfen wurde ihm, dass er 1977 als Schütze oder Fahrer das tödliche Attentat auf Generalbundesanwalt Siegfried Buback mitverübt hat. Außerdem sei er im gleichen Jahr an einem Raubüberfall auf ein Frankfurter Waffengeschäft beteiligt gewesen. Im Mai erklärte der heute 55-Jährige jedoch, dass es sich um ein Fehlurteil gehandelt habe. Er habe damals ganz anders ausgesehen als auf den Fahndungsfotos, an denen sich Zeugen orientierten. Eine Wiederaufnahme des Verfahrens betreibt Folkerts aber nicht, da er sich für die Taten der RAF verantwortlich fühlt.

Außerdem hat Folkerts in den Niederlanden nachweislich einen Menschen getötet. Am 22. September 1977 wollen ihn zwei Polizisten kontrollieren, Folkerts streckt sie nieder, einer der Beamten stirbt. Ein Gericht in Utrecht verurteilt ihn Ende 1977 deshalb wegen Mordes zu 20 Jahren Haft. Das Urteil wird aber nicht vollstreckt, weil Folkerts 1978 für das Buback-Verfahren nach Deutschland ausgeliefert wird.

1995 wird Folkerts in Deutschland nach 18 Jahren Haft auf Bewährung entlassen. Er hat längst mit der RAF gebrochen und arbeitet heute in Hamburg. Doch seit sechs Jahren besteht ein internationaler Haftbefehl gegen ihn. Das erfuhr Folkerts, als er bei einem Urlaub am Flughafen festgenommen wurde. Nur wegen eines Schreibfehlers in den Unterlagen kam er wieder frei. Seitdem hat Folkerts Deutschland nicht mehr verlassen.

Die Niederlande fordern, dass Folkerts nun auch noch die Strafe wegen des Polizistenmordes verbüßt. Die Regierung steht unter Druck, weil die Witwe des Erschossenen Folkerts im Gefängnis sehen will. Man hatte ihr gesagt, Folkerts sei nach seiner Entlassung pfeifend durch Utrecht gelaufen, was aber wohl eine Verwechslung war.

Eine Auslieferung an die Niederlande wäre nur für ein Gerichtsverfahren möglich. Ein holländisches Urteil gegen Folkerts besteht aber schon, jetzt geht es nur noch um die Vollstreckung der Strafe. Diese müsste deshalb in Deutschland stattfinden, was die Niederlande auch beantragt haben. Nach deutschem Recht müsste Folkerts wegen der bereits verbüßten langen Haft wohl nur mit einer kurzen zusätzlichen Freiheitsstrafe rechnen.

Doch Knut Folkerts will gar nicht mehr ins Gefängnis. Über den niederländischen Anwalt Jurjen Pen klagt Folkerts gegen den Rechtshilfe-Antrag. "Folkerts gegen die Königin der Niederlande" heißt das Verfahren vor Gericht. Sein Argument: Die Niederlande haben 1980 nach der deutschen Verurtei- lung auf eine Rücklieferung verzichtet. Davon gingen bisher auch deutsche Stellen stets aus. Die Niederlande sagen aber nun, sie hätten sich das Recht auf Vollstreckung der Strafe vorbehalten. In der ersten Instanz scheiterte Folkerts. Jetzt muss der Hoge Raad entscheiden.

Auf dessen Entscheidung wartet auch das Landgericht Hamburg, das in Deutschland die Zulässigkeit der Rechtshilfe zu beurteilen hat. Folkerts deutsche Anwältin Halm will aber nicht länger warten. "Die deutschen Richter können selbst prüfen, ob der Antrag zulässig ist." Wenn nicht, müsste der Haftbefehl, so Halm, sofort aufgehoben werden. "Herr Folkerts braucht endlich Rechtssicherheit."

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