Niederlage für Hertha: Stilles Geleit in die 2. Liga
Mit einer 1:3-Niederlage gegen die Bayern verabschiedet sich die Hertha im Olympiastadion aus der Bundesliga. Der Club befindet sich in einer Schockstarre.
"Macht euch bereit für den Abschied aus Liga eins", schreit der Stadionsprecher vor Spielbeginn ins Mikrofon, und tausende Hertha-Fans lassen noch einmal die blau-weißen Schals über ihren Köpfen kreisen. Nach 13-jähriger Erstligazugehörigkeit sieht anfangs im vollbesetzten Rund alles nach einem stimmungsvollen Abgang der Berliner aus. Die Bayern-Gemeinde war sowieso vornehmlich zum Zwecke des Feierns ihres 22. deutschen Meistertitels gekommen. Eine gute Gelegenheit also für den seit letzter Woche feststehenden Absteiger, nach dem monatelangen Dauerdruck des Gewinnenmüssens endlich einmal befreit sein viel beschworenes Potenzial zu demonstrieren.
Doch Hertha überlässt das runde Leder in fast schon an Demut grenzender Ehrerbietung dem neuen Titelträger, der ohne viel Mühe mit 3:1 gewinnt. Mit 155 Ballkontakten hält Bastian Schweinsteiger an diesem Tag die Münchner Bestmarke. Herthas Rekordhalter Levan Kobiashvilli hat mit dem Spielgerät nicht einmal halb so viel - 72 Mal spielt er den Ball - zu tun.
Nur für eine kurze Weile lärmen die Hertha-Anhänger, nachdem Adrian Ramos den zwischenzeitlichen Ausgleich erzielte. Ansonsten verfolgen sie meist stumm den ängstlichen Auftritt ihres Teams. Es ist gespenstisch, dieses stille Geleit in Liga zwei. Zumal die Bayern-Fans in der anderen Stadionhälfte pausenlos in derselben Melodieschleife ihre Mannschaft besingen.
Unterdessen wandert auf einer der elektronischen Werbebanden noch einmal die veraltete Hertha-Hoffnungsparole "Gemeinsam zur Aufholjagd" von links nach rechts. Ein Sinnbild dafür, dass der Verein sich noch immer in einem Zustand der Schockstarre befindet. Ebenso wie diese Losung wirkt auch das Hertha-Ensemble nach dem Schlusspfiff an der Stätte der Meisterfeier schnell fehl am Platze. Man hat fast den Eindruck, die traurigen blau-weiß gekleideten Gestalten wären von den vier imposanten Konfettikanonen, die auf das Spielfeld geschoben wurden, in Richtung eigene Fankurve getrieben worden. Als den Profis von dort ein wütendes Pfeifkonzert entgegenschallt, bleibt nur der schnelle und schmachvolle Abgang in die Katakomben. Am letzten Spieltag hat die Ostkurve ihrem Team endgültig die Sympathie aufgekündigt.
Während sich drinnen die Hertha-Spieler verkriechen und draußen der gesamte Bayern-Kader Polonaise tanzt, füllt Klaus Wowereit, der Regierende Bürgermeister, instinktsicher das Vakuum in der Interviewzone. Mit einem Hertha-Schal ist er dort überraschend aufgetaucht und beteuert: "Ich werde auch in die zweite Liga kommen. Das soll ein Zeichen für die anderen sein, dass es keinen Grund gibt, der Hertha nicht die Treue zu halten." Der Verein müsse so schnell wie möglich wieder aufsteigen. Wenn Fans und Sponsoren hinter dem Verein stünden, könne dies auch gelingen. Dass die Stadt Hertha mit einer weiter reduzierten Stadionmiete für die zweite Liga subventionieren wird, schließt Wowereit mit dem Verweis auf laufende und gültige Verträge aus.
Bei Hertha will sich kaum einer zu Zukunftsfragen äußern. Trainer Friedhelm Funkel, der im Stadion mit "Funkel raus"-Rufen bedacht wurde, behauptet: "Es ist noch alles offen." Der zweikampfstarke Mittelfeldspieler Fabian Lustenberger kann immerhin berichten: "Es gibt ein Signal vom Verein, dass er mich halten möchte - und ich würde gern bleiben." Ansonsten ist aber über das "schlagkräftige Team", das Manager Michael Preetz für die nächste Saison aufbauen möchte, noch nichts bekannt. Bei vielen Fans hat sich angesichts dieser Ungewissheit längst Resignation breitgemacht. Auf einem Spruchband ist am Samstag zu lesen: "Für euch ist Hertha: Absteigen und gehen. Für uns: Für immer bleiben."
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