Niederlage für Frankfurter Umweltschützer: Gericht erlaubt Flughafen-Ausbau
Der Hessische Verwaltungsgerichtshof bestätigt das Ja zum Flughafenausbau in Frankfurt. Aber die Richter drängen auf die Einhaltung des Nachtflugverbots.
FRANKFURT AM MAIN taz | Der Hessische Verwaltungsgerichtshof (VGH) in Kassel wies am Freitag den größten Teil der zugelassenen Musterklagen von Kommunen und Gebietskörperschaften gegen den Ausbau des Frankfurter Flughafens zurück. Und die Kammer am VGH ließ im Hauptsacheverfahren auch keine Revision gegen ihre Entscheidung zu. Die Verwaltungsrichter befanden jedoch einen Aspekt für rechtswidrig: die im Planfeststellungsbeschluss zum Landebahnbau im Kelsterbacher Forst festgeschriebenen 17 Nachtflüge in der Zeit von 23 Uhr bis 5 Uhr. Zugleich seien auch die 150 Flüge in den jeweiligen zweistündigen Zeitkorridoren vor 23 Uhr und nach 5 Uhr zu reduzieren. Alle diese Flüge seien nämlich "nicht mit dem gesetzlich gebotenen Schutz der Bevölkerung vor nächtlichem Fluglärm zu vereinbaren", heißt es in einer Mitteilung des VGH. Die Entscheidung des Gerichts lasse ausdrücklich eine Revision am Bundesverwaltungsgericht in Leipzig zu, hieß es.
Im Namen der hessischen Landesregierung, deren Planfeststellungsbeschluss 13 Kläger beim VGH in Kassel moniert hatten, begrüßte Ministerpräsident Roland Koch (CDU) die Entscheidung und nannte sie "historisch". Der Ausbau des Flughafens sei jetzt endgültig genehmigt, und das sei "wirklich eine gute Nachricht". Jetzt könnten in Hessen "sehr viele Arbeitsplätze geschaffen werden". Dass das Gericht die im Planfeststellungsbeschluss festgeschriebenen Nachtflüge infrage stellte - für Koch eine "Detailfrage" -, überraschte den Regierungschef offenbar. Der VGH habe in dieser Sache "eine Auffassung vertreten, die es so bisher nicht gab", sagte Koch und kündigte indirekt den Gang in die Revision an. "Rechtssicherheit wird es erst geben, wenn eine weitere Instanz entschieden hat", sagte er. Kurz zuvor hatte er allerdings noch erklärt, das Urteil zunächst "gründlich studieren" zu wollen. Und das noch keine Entscheidung darüber gefallen sei, ob das Land tatsächlich in Revision gehe.
Die Lufthansa jedenfalls drängt Koch zum Gang nach Leipzig vor den Bundesverwaltungsgerichtshof. Das Urteil des VGH Hessen sei eine Katastrophe für den Exportweltmeister Deutschland, denn das Land werde ohne Nachtflüge an seinem wichtigsten Airport "von den globalen Luftfrachtströmen abgenabelt", teilte die Lufthansa mit.
Der rheinland-pfälzische Ministerpräsident Kurt Beck (SPD) bot der Lufthansa und der hessischen Landesregierung umgehend den Regionalflughafen Hahn im Hunsrück als "attraktive Alternative" zu Frankfurt für alle avisierten Nachtflüge an. Der rund 120 Kilometer westlich von Frankfurt liegende Flughafen Hahn verfüge über Ausbaukapazitäten und sei flexibel genug, zusätzliche Flüge abzuwickeln, ließ Beck wissen. Das Land Rheinland-Pfalz ist mittlerweile Mehrheitseigner des Flughafens Hahn.
Die Idee, mit Nachtflügen auf den Flughafen Hahn auszuweichen, hatten die Grünen in Hessen schon früher. Aber keiner hat auf sie gehört. "CDU und FDP sind die Büttel der Luftverkehrswirtschaft, aber keine Wahrer der Interessen der Menschen im Rhein-Main-Gebiet", wetterte denn auch der "flughafenpolitische Sprecher" der Grünen, Frank Kaufmann. Über Monate hinweg habe die Regierung Koch den Menschen in der Region weismachen wollen, dass ein Nachtflugverbot aus rechtlichen Gründen nicht machbar sei. Das Gericht habe der Landesregierung jetzt dafür "eine schallende Ohrfeige erteilt". Von Koch erwarten die Grünen jetzt "umgehend" eine Erklärung, "dass das Land Hessen auf eine Revision beim Bundesverwaltungsgericht gegen die Nachtflugverbotsentscheidung des VGH Hessen verzichtet".
Auch die Anwälte einer Frankfurter Klägergemeinschaft von der Kanzlei Baumann freuen sich darüber, dass ihren Mandanten mit der Zurückweisung des "unausgewogenen Lärmschutzkonzeptes" der Planungsbehörde durch den VGH Hessen "auf der ganzen Linie recht gegeben" worden sei. Die Linke dagegen spricht von einem "schwarzen Tag" für Hessen. Der Flughafenausbau sei das Ergebnis einer "verfehlten Verkehrs- und Wirtschaftspolitik", meinte der Landtagsabgeordnete und parlamentarische Geschäftsführer seiner Fraktion, Hermann Schaus.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
MLPD droht Nichtzulassung zur Wahl
Scheitert der „echte Sozialismus“ am Parteiengesetz?
Fake News liegen im Trend
Lügen mutiert zur Machtstrategie Nummer eins
Prozess zu Polizeigewalt in Dortmund
Freisprüche für die Polizei im Fall Mouhamed Dramé
Proteste in Georgien
Wir brauchen keine Ratschläge aus dem Westen
Mord an UnitedHealthcare-CEO in New York
Mörder-Model Mangione
Ex-Wirtschaftsweiser Peter Bofinger
„Das deutsche Geschäftsmodell funktioniert nicht mehr“