Nie mehr Bushido: Friede, Freude, Schwulenhetze

Beim riesigen Open-Air-Konzert gegen Gewalt an Schulen spielt ausgerechnet Rapper Bushido. Demonstranten, die seine homophoben und sexistischen Texte kritisieren, zeigt er den Mittelfinger.

Bushido zeigt seinen Kritikern den Stinkefinger Bild: Reuters

Auf der Riesenleinwand neben der Festivalbühne unterhalten sich Schauspielerin Susan Sideropoulos und die Viva-Moderatorin Collien darüber, dass man sich als Schauspielerin bei der TV-Soap "Gute Zeiten - Schlechte Zeiten" eigentlich nicht einfach die Haare färben darf, ohne den Regisseur zu fragen - aber, huch, ungezogen, ungezogen, Sideropoulos hats trotzdem gemacht. Währenddessen bahnt sich bei den Teenagerinnen mit dem "Bushido"-Schriftzug auf Brust und Armen ganz vorne am Absperrgitter Ärger an. Fast kommt es zur Schlägerei, weil die eigentlich ziemlich zierliche Sanella, 16 Jahre alt, Gesamtschule Kreuzberg, ihrer solariumbraunen, etwas älteren Nebenfrau auf den Fuß getreten ist. Aber der Steward mit der Nummer 1.478 schaut hin und kann Schlimmeres verhindern: "Hey, hey, hey, reißt euch mal zusammen!"

Wäre ja auch mal so richtig gar nicht klargegangen die Aktion, schließlich geht es an diesem Samstag doch darum, ein Zeichen gegen Gewalt zu setzen, beim "Schaut nicht weg"-Festival, zu dem die Jugendzeitschrift Bravo einige Künstler und ein paar mehr Fans, so um die 110.000, ans Brandenburger Tor eingeladen hat. Es kommt dann später noch der Moment, wo sich zeigt, wie richtig fakemäßig das hier alles ist. Und natürlich hat das etwas mit Bushido zu tun, dem Bravo-Hausrapper, vormals Gangbanger und Untergrund, jetzt gelegenheitsgeläuterter Gangstermärchenonkel. Schwulenhassmäßig müsste man bei ihm richtig genau hinschaun. Wird aber keiner tun.

Erst mal hat Susan Sideropoulos, 27, jetzt also ein bisschen rötlicher gefärbte Haare. Probleme mit Gewalt hatte sie bisher dagegen noch keine, puh, noch mal Glück gehabt, findets aber "echt erschreckend", was da an den Schulen gerade so abgeht. Man liest es ja überall. Und die Bravo hat es sich in einer Umfrage von Emnid noch mal bestätigen lassen: Jeder fünfte Schüler wurde schon mal Opfer von Gewalt. Ganz schön krass.

Also unternimmt Bravo jetzt zusammen mit Viva und so mal was dagegen. Im Netz gibt es praktische Tipps für Opfer ("Wer sich nicht wehrt, der lebt verkehrt") und für Täter ("Krieg dein Leben in den Griff"). Einen Nachmittag lang treten dann die Casting-Girlband Monrose, die Deutschrocker Mia, das Krawallgirl LaFee und eben Bushido auf.

Alle machen Musik, und zwischendurch sagen sie, dass Gewalt megamegauncool ist, echtwirklich scheiße, krass keine Lösung. Und Monrose wollen sogar dafür kämpfen, dass es auf der ganzen Welt keine Gewalt mehr gibt. Bravo hatte sich ja eigentlich erst mal die Schulen vorgenommen. Die Fans kreischen dazu und schreien "Schau nicht weg!" oder "Vi-va!" oder "Bra-vo!", vor allem aber "Bu-shi-do!".

Den würde Berufsschülerin Fidore, 17 Jahre, echt gern mal knallen, sagt sie. "Wenn Sie wissen, was ich meine." Und haut sich mit der flachen Hand auf die geballte Faust. Bushido ist einfach der Beste, findet sie, der hats drauf. Wie krass, zeigt er später dann selbst.

Orhan Sener und Mohamed Osman kommen zu dem Konzert, kurz bevor LaFee zu spielen anfängt. Beide haben Ketten aus Gold und Silber um den Hals und ihre Haare mit Gel hochgestellt, Seiten rasiert. Irgendein männliches Soap- oder Viva-Sternchen erzählt, dass er in der Vierten mal von einer Frau vermöbelt worden ist. Hat er kein Problem mit, "Frauen sind auch kräftig". Besorgte Moderatorinnen-Nachfrage: "Was? Musstest du ins Krankenhaus?" Nee, ging schon.

Sener und Osman sind 21 und sehen aus wie richtige Bushido-Fans. Sie sinds aber gar nicht, wollen nur mal gucken. Osman erklärt, wie man über Musik Stress verhindert: Einer wollte ihn dissen - also verbal verprügeln. Davon hat er zufällig vorher erfahren, also hat er ihn zuerst gedisst, dann hat der andere zurückgedisst - und die Sache war okay. Kleine Fehde, keine Gewalt. Er rappt als "Mimo CHB", bald vielleicht mit Label-Vertrag, will aber Sicherheitsmanagement studieren und Polizist werden. Abi hat er gerade gemacht. Sener legt als DJ Traxx auf.

Von Bushido halten sie beide nicht viel. " 'Ich bin so, und ich fick die.' Das ist alles Quatsch. Der führt sich nur so auf, weil die Fans das mögen. Alles Geldmacherei", sagt Sener. Wenn es nach Osman ginge, könnte Bushido sich ruhig ein bisschen politisch äußern. "Man sieht ja hier den Einfluss von ihm. Alle schreien." Und Fidore, die Bushido gern knallen würde, brüllt gelegentlich was mit "Muschi".

Gegen sieben dann ist der Berliner Himmel blau geworden. Moderatorin Collien erzählt, dass es ein bisschen Stress gab vorher, weil ja manche meinten, der Rapper Bushido gegen Gewalt, das sei wie der Radler Jan Ullrich gegen Doping. Irgendwie nicht so krass glaubwürdig. Und dann haben auch noch 50 Politiker und Leute vom Lesben- und Schwulenverband demonstriert, weil Bushido ja mal was mit "Tunten vergasen" gesagt haben soll und öfter mal nicht ganz so viel Respekt vor "Schwuchteln" zeigt. Einige hundert Meter von der Bühne entfernt haben sie Bilder gezeigt von Leuten, die verletzt wurden, weil sie homosexuell sind. Aber Mieze, die bei Mia singt, interessiert das wenig: "Dank Bushido ist so viel übers Event geschrieben worden. Das ist doch gut." Echt supi.

Genauso supi, dass von Bushidos neuem Album, das nächste Woche erscheint, übrigens - wird er später auch noch mal sagen -, jetzt schon "gold gegangen ist", also mehr als 100.000 Exemplare verkauft wurden, pro Besucher so etwa eins. Haben ja beide bisschen was davon. Bravo die vielen Zuschauer. Bushido die Goldalben-Kohle. Und der Rapper hat ja auch nicht gegen Gesetze verstoßen oder so, hat Tom Junkersdorf, der Bravo-Chef, vorher noch an den Lesben- und Schwulenverband geschrieben. Und auf dem Index steht von ihm auch nix - von den aktuellen Sachen wenigstens. Und so ein bisschen unterschwelligmäßig gegen Schwule rappen - da wäre er ja wirklich nicht der Erste. Was solls also? Sagt der Junkersdorf so natürlich nicht. Über die Schwulensache sagt er lieber mal gar nix. Kommt nicht so cool.

Dann hüpft Bushido auf die Bühne, die ihm die Bravo da hingestellt hat, rappt, dass er der "Endgegner" ist und nie ein "schwuler Student" war. Die Beats lassen auch die schon etwas angetrunkene Bravo-Viva-VIP-Crowd vor der Bühne mitwippen. Und zwischendurch labert Bushido bisschen: Was die Wichser alle schreiben. Was er gerade alles durchmacht, die ganze gequirlte Scheiße. Muss er jetzt mal so sagen. Gewalt übrigens auch Scheiße, egal ob in der U-Bahn oder in Sachsen. Aber nach Sachsen schaut ja keiner, schauen ja nur auf ihn, auf Bushido.

Was er da gerade durchmacht! Und so gangstamäßig gesehen, ist das eigentlich ne echte Pussy, dieser Bushido, so tut der sich da leid. Opfer! Jetzt könnte man eigentlich LaFee noch mal auf die Bühne schicken: "Heul doch!"

Dann aber zu den Schwulen. "Mir", sagt Bushdido, gar nicht mehr heulsusig, "mir würde niemals im Leben einfallen, gegen Homosexuelle zu demonstrieren." Und noch was: "An alle, die auf der Demo waren: Ich hoffe, ihr habt euren Spaß gehabt." Dann zeigt Bushido mit dem Mittelfinger in Richtung Straße des 17. Juni, wo die Demo war. Message: Fickt euch, ihr Schwulen. Alles klatscht und kreischt.

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