: Nichts Größeres als Taxifahren
■ Weil „Taxi“ von Gérard Pirès kein zweiter „Dobermann“ werden sollte, können sich in dieser Geschichte von Luc Besson Kinder und „Auto Motor Sport“-Leser gleichermaßen wiederfinden
Traumberuf Taxifahrer? Auf der kindlichen Lieblingsberufsagenda hatte man ganz oben eigentlich Berufe wie Lokomotivführer, Pilot oder Formel-1-Rennfahrer stehen. Das mit dem Taxifahren ergab sich erst später, zur Bafög-Aufbesserung, als ABM- Maßnahme für arbeitslose Akademiker.
Für den Pizzalieferanten Daniel (Samy Nacéri) in Marseille aber gibt es nichts Größeres, als eines Tages mit seinem weißen Peugeot Personen zu befördern. Dementsprechend enttäuscht ist er, daß der Erwerb seiner Zulassung nicht mehr als ein nüchterner bürokratischer Akt ist. Wenn die doch wüßten, was da unter seiner Motorhaube schlummert, wie er mit dem Gaspedal umgehen kann!
Ein einfaches Gemüt, dieser Daniel, und tatsächlich fühlt er sich auf den Straßen von Marseille weniger als Cab driver denn als ein Alain Prost oder James Bond. Vielleicht muß man ein bißchen simpel gestrickt sein, wenn man Hauptfigur in einer „rasanten Actionkomödie“ ist, vielleicht aber ist es gerade dieser handzahme Charakter von Daniel, der diesen Film von Gérard Pirès nach einem Drehbuch von Luc Besson zu einer ganz sympathischen und sehenswerten Sache macht. Daniel kommt natürlich irgendwann mit der Polizei in Konflikt, doch es trifft sich, daß sein Gegenüber Emilien (Frédéric Diefenthal), einer der trotteligsten Kommissare des Distrikts ist. Alles, was er versucht und ermittelt, geht zumeist in die Hose. Ein ungleiches Gespann sollen diese beiden also sein, aber irgendwie ergänzen sie sich ganz gut auf der Suche nach einer sogenannten Mercedes-Bande, die die Banken von Marseille ausräumt.
Beim Schauen denkt man sich öfters: Was hätte das für eine tolle Geschichte ergeben, wären Daniel und Emilien kantiger dargestellt, widersprüchlicher, kaputter, der Cop und der Abenteurer, der korrupte Bulle und der gerechtigkeitsliebende Gangster, was auch immer. Doch Besson wollte wohl auf Nummer Sicher gehen, keinen zweiten „Dobermann“ schreiben, lieber eine Geschichte, in der sich Kinder und Auto-Motor-Sport-Leser gleichermaßen wiederfinden. Mit Gags, die mal in Ordnung gehen, mal so drittklassig sind, daß sie Probleme hätten, in Nachmittags-Soaps von privaten Fernsehsendern Einlaß zu finden.
Immerhin entschädigen einige wirklich rasante Vollgasfahrten durch Marseilles City; Fahrten, die man mit mitunter fünfzig Stuntmen eingespielt und aufgenommen hat. „Taxi“ ist nämlich noch echtes Handwerk, mit durch und durch choreographierten Verfolgungsjagden, ein Film, der ohne Special Effects auskommt. Und wenn dann das letzte Stündlein der Mercedes-Bande schlägt, klopft man sich sogar ein wenig auf die Schenkel und freut sich über die letztendlich doch ganz charmante Pfiffigkeit dieses Films. Gerrit Bartels
„Taxi“. Regie: Gérard Pirès. Mit Samy Nacéry, Frédéric Diefenthal, Marion Cotillard, Emma Sjöberg u.a., F 1997, 85 Min.
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