Nichtmitglieder-Kontakte ausspionierbar: Schöner Schnüffeln mit Facebook
Erneute Datenschutzlücken bei Facebook: Bei dem Netzwerk ist es möglich, E-Mail-Kontakte von Nichtmitgliedern auszuforschen. Auch Anwendungen lesen unerlaubt Nutzerdaten aus.
BERLIN dpa/afp | Das Internet-Netzwerk Facebook sieht sich neuen Vorwürfen ausgesetzt, gegen den Datenschutz zu verstoßen. Nach Recherchen der "Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung" ermöglicht es der Onlinedienst, E-Mail-Kontakte von Nichtmitgliedern auszuforschen. Allein mit einer E-Mail-Adresse ließen sich - auch ohne das Passwort zu kennen - bis zu 20 Personen ermitteln, mit denen der Besitzer der Adresse Kontakt hatte. Dies sei möglich, weil bei der Eröffnung eines Mitgliedskontos nicht geprüft werde, ob es sich tatsächlich um den Besitzer der angegebenen E-Mail-Adresse handele.
Die Bundesregierung reagierte empört: "Die Aufdeckung dieser weiteren Schutzlücke zeigt, wie wenig Beachtung Facebook immer noch dem sorgsamen Umgang mit persönlichen Daten schenkt", teilte Justizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) am Sonntag mit. Erst Anfang des Jahres sei die Datensicherheit bei Facebook von der Stiftung Warentest als mangelhaft bezeichnet worden. "Es wäre bereits schlimm genug, wenn sich hier um eine unbeabsichtigte Panne handelte tatsächlich entspricht die Weitergabe persönlicher Daten aber offenbar einer Standardfunktion von Facebook."
Bundesverbraucherministerin Ilse Aigner (CSU) sagte der "Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung": "Dass die Kenntnis einer E-Mail-Adresse ausreicht, um bei Facebook recherchieren zu können, mit wem jemand in Kontakt steht, der selbst Facebook gar nicht nutzt dies zeigt ein weiteres Mal, wie wenig Respekt Facebook vor der Privatsphäre der Internet-Nutzer hat." Aus ihrer Sicht reihe sich dieser Regelverstoß ein in eine ganze Reihe fragwürdiger Praktiken ein. "Es ist geradezu grotesk, wenn ein Netzwerk, das sich sozial nennt, sein Profitstreben permanent über die Privatsphäre seiner Mitglieder stellt."
Aigner fordert von der Internetbranche sichtbare Konsequenzen aus Datenschutzmängeln. Nur wenn in der Branche ein Umdenken einsetze und die richtigen Konsequenzen aus den Datenskandalen der Vergangenheit gezogen würden, könne sie das Vertrauen der Nutzer zurückgewinnen, sagte Aigner am Montag beim Verbrauchertag in Stuttgart.
Verbraucherfreundlichkeit, Datenschutz und Transparenz seien längst bestimmend für wirtschaftlichen Erfolg im Internet geworden, sagte die Ministerin. Das zeige das Beispiel des Onlinehandels.
Hamburgs Datenschutzbeauftragter Johannes Caspar sagte, es handele sich um "eine konsequente Folge davon, dass Facebook Daten über Nichtmitglieder sammelt. Das ist in der Tat ein großes Problem."
Leutheusser-Schnarrenberger plädierte für schärfere Datenschutzregelungen: "Die Rechte der Einzelnen, in eine Verwendung ihrer Daten einzuwilligen, muss deutlicher ins Datenschutzrecht aufgenommen werden." Sie werbe auch gegenüber dem zuständigen Innenminister Thomas de Maizière (CDU), "entsprechende Regelungen zügig in Angriff zu nehmen".
Einem Zeitungsbericht zufolge gibt es eine weitere gravierende Sicherheitslücke. Zahlreiche sogenannte Anwendungen läsen unerlaubt Nutzerdaten aus und gäben diese an Anzeigenkunden oder Internet-Forschungsunternehmen weiter, berichtete das "Wall Street Journal" auf Sonntag auf seiner Internetseite. Bei den Anwendungen auf Facebook, die Nutzer installieren können, handelt es sich oft etwa um Spiele, Horoskope oder ähnliches. Diese Dienste lasen dem Zeitungsbericht zufolge etwa den Namen des Nutzers und seiner Kontakte in dem sozialen Netzwerk aus. Betroffen seien auch Nutzer, die in ihrem Facebook-Profil die schärfsten Datenschutz-Optionen gewählt hätten.
Ein Facebook-Sprecher sagte der Zeitung, das Netzwerk werde die Zugriffsmöglichkeiten auf die Daten "drakonisch einschränken". Er betonte jedoch, die Sicherheitslücke erlaube es nicht, "auf die persönlichen Daten jedweden Facebook-Nutzers zuzugreifen". Facebook wolle das Datenschutz-Problem aber mit einer neuen Technologie lösen.
Facebook hat inzwischen weltweit mehr als 500 Millionen Mitglieder. Politiker und Datenschützer hatten das Netzwerk in der Vergangenheit immer wieder wegen des Umgangs mit der Privatsphäre seiner Mitglieder kritisiert und ihm Verstöße gegen den Datenschutz vorgeworfen. Deswegen hat auch Aigner ihre Mitgliedschaft bei Facebook beendet.
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