: „Nicht unberechtigt Angst“
Anwalt im Gubener Hetzjagd-Prozess fordert Freispruch. Opfer sei vor Polizei geflohen
COTTBUS dpa ■ Im Prozess um die so genannte Hetzjagd von Guben hat die Verteidigung bisher für vier der insgesamt elf Angeklagten Freispruch vom Vorwurf der fahrlässigen Tötung und der Volksverhetzung beantragt. Unter ihnen ist einer der beiden mutmaßlichen Rädelsführer. Dessen Anwalt beantragte gestern lediglich eine Auflage des Gerichts wegen Sachbeschädigung und Beleidigung.
Die Staatsanwaltschaft hatte für alle elf Angeklagten eine Verurteilung wegen fahrlässiger Tötung gefordert. Den jungen Männern wird vorgeworfen, im Februar 1999 drei afrikanische Asylbewerber durch die Straßen von Guben verfolgt zu haben. Der 28-jährige Algerier Farid Guendoul war in Todesangst vor den Verfolgern durch eine Glastür gesprungen und verblutet.
Sein Mandant sei keinesfalls fremdenfeindlich oder rassistisch eingestellt, sagte Uwe Hartung, der Anwalt des mutmaßlichen Anführers. Der damals 20-Jährige habe unter Alkoholeinfluss gestanden und sich „durch die Gruppendynamik hinreißen“ lassen. Eine Verurteilung wegen fahrlässiger Tötung sei zu hart. Der Angeklagte sei ja weit weg von jener Stelle gewesen, wo der Algerier verblutete. Und dieser habe sicher „nicht unberechtigt Angst“ gehabt – vor der Polizei, weil er unter falschem Namen in Deutschland lebte, Sozialleistungen bekam und möglicherweise wegen anderer Dinge, „die wir nicht kennen“.
Heftige Vorwürfe erhob Hartung gegen die Öffentlichkeit und die Nebenkläger in dem Verfahren. Medien, Bundestagspräsident Wolfgang Thierse und der Gubener Bürgermeister hätten Prozessbeteiligte diffamiert, Angst verbreitet und versucht, das Verfahren von außen zu stören. Eine objektive Wahrheitsfindung scheine unter diesen Umständen fast unmöglich. Den Vertretern der Nebenklage warf er vor, sie hätten „kein Mitgefühl für die Angeklagten“ gezeigt.
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