: Nicht nur zur Weihnachtszeit
■ Beziehungsstress unterm Baum: Paartherapeut kennt die kritischsten Punkte
Alle Jahre wieder das bekannte Szenario: Was Fest der Liebe heißt, endet bei vielen Paaren in Streit, Tränen und nicht selten mit den Worten „Ich mach' das nicht mehr mit“, gefolgt von einer pathetischen Trennungsszene unterm Weihnachtsbaum. Am nächsten Morgen, spätestens aber im neuen Jahr, haben sich die Gemüter meist wieder beruhigt. Doch die Konflikte gären unterschwellig weiter und entzünden sich erneut in schöner Regelmäßigkeit mit dem Aufflackern der ersten Adventskerzen.
Dass dies nicht so sein muss, weiß Friedhelm Schwiderski. Der 48-Jährige ist Vorsitzender des Arbeitskreises Paar- und Psychotherpie e.V. und bietet bei Krisen in der Weihnachtszeit Rat und Hilfe. „Viele Probleme lassen sich bereits in zwei bis fünf Sitzungen lösen. Oft streiten sich Paare, weil sie einfach verschiedene Vorstellungen davon haben, wie sie die Feiertage gestalten möchten. Da spielen die eigenen Kindheitsfantasien eine große Rolle.“ Wenn beide Partner lernten, ihre Bedürfnisse offen zu äußern und auch bereit seien, Kompromisse zu schließen, könnten viele Auseinandersetzungen vermieden werden, so Schwiderski.
Ein typischer Fall sei, dass die Partnerin Weihnachten gerne mit Eltern, Großeltern, Geschwistern und sämtlichen Tanten, Nichten und Neffen feiert, der Mann aber lieber in trauter Zweisamkeit zu Hause auf dem Sofa sitzen möchte. „Oft endet das so, dass er dann beim Familienfest ins Nebenzimmer verschwindet und das Fernsehen einschaltet. Sie ist beleidigt, die Verwandten auch, und der Stress ist vorprogrammiert.“ Um das zu vermeiden, sei es besser, die Festtage von vornherein gemeinsam zu planen. „Wenn es beiden gelingt, sich an bestehende Absprachen zu halten und er zum Beispiel bei der Familienfeier nicht fernsieht, sie dafür aber nach drei Stunden mit ihm nach Hause kommt, ist das Problem entschärft.“ Komme es aber aber immer wieder zu den gleichen Streitereien, lägen meist tiefere Konflikte dahinter verborgen. „Wenn sich einer in der Beziehung nicht ernst genommen fühlt, kann die Situation schon eskalieren, wenn der Weihnachtsbaum nicht nach seinen Wünschen geschmückt wird“, so der Psychotherapeut. In solchen Fällen empfiehlt er eine längerfristige Therapie.
Aus Erfahrung weiß er, dass die allerkritischsten Weihnachtstage diejenigen sind, die mit einem Geburtstag zusammen fallen. „Dann ist der Erwartungsdruck an den Partner noch höher und viele fühlen sich völlig überfordert.“ Schwiderski empfiehlt: Stress weitestgehend reduzieren, miteinander reden und dem ganzen Trubel gelassen begegnen. Auch an Weihnachten können schließlich nicht alle Wünsche mit einem Schlag erfüllt werden.
Übrigens: Bei drohendem Festtags-Koller gibt es die Möglichkeit, noch schnell einen Therapie-Crash-Kurs zu besuchen. In zwei bis vier aufeinanderfolgenden Tagen können Paare die wichtigsten Verhaltensregeln für ein harmonischeres Beisammensein lernen. So wird Weihnachten vielleicht doch zum Fest der Liebe.
Adressen geeigneter PsychotherapeutInnen findet man unter www.paartherapie.de. Auskünfte erteilt auch der AK Paar- und Psychotherapie e.V. unter Tel.: 040/55 66 455. Annette Kohlmüller
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