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Nicht einmal alle Wilhelmsburger*Innen Wissen von der Charmanten Alternative zu BUs und Bahn7x73 – die Fähre auch am Wochenende

Inselstatus Leyla Yenirce

Liebe Insel, der öffentliche Nahverkehr in Wilhelmsburg ist ja ein Thema für sich. Vielen ist der Weg immer so weit und umständlich ins schöne Zentrum. Den Bus- und Bahn-Optimist*innen hingegen geht es da ein wenig anders, sie argumentieren, man brauche mit der S-Bahn nur zwei bis drei Stationen zum Hauptbahnhof und wer nicht direkt in ihrer Nähe wohnt, könne halt den 13er-Bus nehmen.

Aber mir soll es hier um eine ganz andere Möglichkeit gehen, die Insel Wilhelmsburg zu verlassen: Die Fähre mit der Nummer 73. Die bringt die Anwohner*innen nämlich in nur 15 Minuten von der Ernst-August-Schleuse zu den Landungsbrücken. Zwar suggeriert die König-der-Löwen-Werbung an der Bordwand, dass es hier vor allem um die schnelle Fahrt für Tourist*innen auf die andere Elbseite zu gehen scheint. Doch für die Leute von der Insel ist die Fähre immer noch ein Insidertipp. Denn Tourist*innen kaufen meist die teuren Tickets für Barkassenfahrten auf der Elbe. Die Einheimischen wissen aber, dass es auch auf der 73 mit einem HVV-Ticket unter drei Euro getan ist. Wenn ich Besuch von Freunden bekomme, steht die Fahrt mit der Fähre schon länger auf dem Programm.

Was so toll ist an der 73? Während sich die Menschen in die Musicalfähren quetschen oder sich in Scharen für Barkassenfahrten anstellen, können die Wilhelmsburger*innen ganz entspannt in ihre eigene Fähre steigen. Die ist nie so voll, dass es nervt. Außerdem fühlt es sich immer so an wie ein kleiner Ausflugstrip: Es geht durch einen Teil des Hafens, der durch seinen Industriecharme richtig authentisch wirkt und in Reiseführern wahrscheinlich als „dreckiger Teil des Hafens“, „anders“ oder „echt“ bezeichnet werden würde.

Und weil die 73 so toll ist, haben sich Wilhelmsburger*innen kurzerhand entschiedenen, eine Petition mit dem Titel „7x73“ zu starten, die den Betrieb der Fähre an sieben Tagen der Woche verlangt. Im Moment fährt sie nämlich nur wochentags.

Ganz nett, denke ich mir, aber auch gefährlich: Denn was ist, wenn es am Wochenende dann zur Massenkutsche wird, weil die Tourist*innen mitbekommen werden, dass es da eine kleine nette Fähre gibt, die zwar woanders als zum „Wunder von Bern“-Musical fährt, aber dafür zu einer Nachbarschaft, in der es sich sehr genüsslich Kaffee trinken lässt? Abgesehen von den günstigen Dönerangeboten …

Immerhin, die Geschäftstreibenden könnten von den Besucher*innen profitieren. Die Insulaner*innen wollen ja auch nicht drei Mal die Woche Döner essen oder Latte Macchiato trinken und diesen Job könnten dann die Fährentouris am Wochenende machen. Andererseits: Würden die Touris überhaupt von der Fähre mitbekommen? Schließlich wissen ja nicht einmal alle Wilhelmsburger*innen davon.

Letzendlich ist eine Fähre am Wochenende aber immer noch besser als keine Fähre am Wochenende und deswegen habe ich die Petition unterschrieben. Denn wirklich nichts ist schlimmer als Schienenersatzverkehr am Wochenende.

Leyla Yenirce ist Kulturwissenschaftlerin und schreibt wöchentlich aus Wilhelmsburg über Spießer, Linke, Gentrifizierer und den urbanen Wahnsinn in der Hamburger Peripherie.

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