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Nicht alle Kartoffeln sind schlimm. Manche ermöglichen eine Plattform, auf der ich sie grillen kann#NotAllAlmans

Habibitus

Hengameh Yaghoobifarah

Obwohl mich wahrscheinlich niemand so häufig googelt wie meine Mutter, weiß niemand so wenig wie sie über das, was ich genau mache. Deshalb laufen viele unserer Telefonate so ab, dass sie mich anruft und ich, meine Arbeit erläuternd, die Stimmung entschärfen muss. Schwitzend und vorsichtig, wie bei Bombenentschärfungszenen in Filmen, bei denen die Menschen unsicher sind, ob das blaue oder rote Kabel zertrennt werden sollte.

An Stellen, an denen ich ihr lautes Gelächter erwarte, empört sie sich. Da, wo ich Realitätsschellen befürchte, bricht die Leitung durch ihr schrilles Lachen fast zusammen. Etwa wenn ich ihre absurden, aber nicht weniger berechtigten Erwartungshaltungen an die Gesellschaft zitiere. Ich soll zum Beispiel immer meine jüngere Schwester mitdenken und bei allem, was ich kostenlos zur Verfügung gestellt bekomme (also fast nix, außer Fahrtkosten bei Geschäftsreisen und einmal ein Paar Turnschuhe), noch mal nachfragen, ob ich ein zweites Exemplar für meine Schwester bekomme. Das ist etwas, das würde ich mich nie trauen.

Wenig bis gar nicht lustig findet sie meine Witze über Kartoffeln. „Hengameh“, sagte sie, übrigens ganz anders, als Kartoffeln es sagen, „hör endlich auf, so gemein zu Almans zu sein.“ Das ist natürlich ein Schlag ins Gesicht, wenn die eigene Mutter sich eher mit Leuten, die sie in erster Linie aus dem Fernsehen und Fenster kennt, solidarisiert als mit einer selbst. „Nicht alles ist schlecht an Deutschen“, führt sie fort. Als ich sie bat, mir drei Dinge aufzuzählen, die ihre These belegten, fielen ihr spontan zwei wichtige Punkte ein: „Erstens sind sie sehr pünktlich.“ Ich stimmte ihr zu. „Außerdem bieten sie nichts aus Höflichkeit an. Wenn sie freundlich sind, dann meinen sie es auch.“ Das macht zwar große deutsche Baustellen wie das passiv-aggressive Almanlächeln mit zusammengepresstem Mund unsichtbar, ist aber insgesamt nicht komplett falsch. Ob diese beiden Punkte deutsche Dominanzkultur samt diskriminierenden Strukturen, Funk­tionskleidungsfetisch und Kälte ausgleichen? Ich glaube, eher nicht. „Nicht alle Almans sind so schlimm, wie du immer sagst“, probierte sie es noch mal. „Zum Beispiel P. und B.! Sie sind so herzlich. Außerdem schenken sie deiner Schwester und dir immer Büchergutscheine!“ Ich holte aus, um zu erklären, dass es nicht darum ginge, jede einzelne weiß-christlich deutsche Person zu hassen. Einige meiner besten Freund_innen sind Kartoffeln!

Da packte sie noch einen Joker aus. „Ganz ehrlich“, ermahnte sie mich, „ohne Almans wärest du nicht am Leben! Du hättest deine eigene Geburt fast nicht überlebt, weil du schon als Baby zu viel gegessen hast und zu viel Fruchtwasser getrunken hattest. Zwei Wochen warst du dann im Glaskasten. Zwei Wochen! Und wer hat dich gepflegt? Deutsche Krankenschwestern und Hebammen!“ Ich hätte gern erwidert, dass das Krankenhauspersonal in jedem Land seinen Job bestmöglich ausübt. Aber ich musste grinsen. Es war schon ein bisschen zynisch. Ohne Deutschland gäbe es mich also vielleicht nicht. Da haben die Almans sich wohl ihr eigenes Grab geschaufelt.

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