Nicaraguanischer Dichter Ernesto Cardenal: Heimliche Beerdigung
Anhänger von Präsident Ortega hatten am Dienstag die Trauermesse für Cardenal gestört. Aus Furcht vor neuen Angriffen fand die Bestattung früher als geplant statt.
An der Bestattung hätten lediglich zehn Personen teilgenommen, sagte Bosco Centeno, ein enger Freund Cardenals. „Wir haben es geheimgehalten, um Beeinträchtigungen zu vermeiden.“ Es sei sein letzter Wunsch gewesen, auf der zum Solentiname-Archipel zählenden Insel Mancarrón beerdigt zu werden. Dort hatte der Priester eine christliche Gemeinschaft von Bauern, Fischern und Künstlern gegründet, die sich an sozialistischen Zielen orientierte.
Am Dienstag hatten Mitglieder der regierenden Sandinistischen Befreiungsfront (FSLN) während der Trauerfeier für Cardenal Parolen wie „Verräter“ und „Es lebe Daniel“ gerufen, Angehörige des Befreiungstheologen beschimpft und Journalisten angegriffen. Cardenal gehörte zu den schärfsten Kritikern Ortegas, nachdem der einstige Weggefährte immer autoritärer regierte.
Cardenal beteiligte sich in den 70er Jahren am Kampf gegen die Diktatur von Anastasio Somoza. Nach Somozas Sturz 1979 war der Dichter Kulturminister. Später sagte sich der Theologe von der FSLN los. Aufgrund seiner kritischen Haltung gegenüber Ortega und seiner Frau Rosario Murillo, denen er Korruption und Machtkonzentration vorwarf, wurde er seit Jahren staatlich verfolgt.
Cardenal zählt zu den wichtigsten Dichtern Lateinamerikas. Weltweit erlangte er Berühmtheit, weil er zu den führenden Vertretern der Befreiungstheologie zählte, mit der sich lateinamerikanische Geistliche in den 60er Jahren auf die Seite der Armen stellten.
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