Nicaragua und Costa Rica mit Ansprüchen: Schöner streiten mit Google Maps

Der Grenzverlauf zwischen Nicaragua und Costa Rica ist klar und führt trotzdem immer wieder zu Konflikten. Einen neuen Anlass liefert eine fehlerhafte Online-Karte.

Am 4. November wehte auf einer Flußinsel am Rio San Juan die Flagge Nicaraguas. Bild: reuters

Seit 150 Jahren hält der Nachbarschaftsstreit zur Frage des Grenzverlaufs im Gebiet am Fluss San Juan zwischen Nicaragua und Costa Rica an. Beide Staaten sind deswegen immer wieder aneinander geraten. Nun hat ausgerechnet das noch gar nicht so alte Google Maps den Konflikt neu belebt.

Der jüngste Streit schwelt bereits seit mehreren Wochen. Nicaragua hat, nach Darstellung Costa Ricas, Mitte Oktober begonnen, ohne Genehmigung den Fluss auszubaggern und die Präsenz der Truppen an der Grenze erhöht. Schließlich sei ein militärisches Camp auf einer Flussinsel, die auf dem Gebiet des Nachbarlandes liegen soll, errichtet worden. Nicaragua widerspricht dieser Darstellung und erklärt, die Soldaten würden ausschließlich zu Säuberungsarbeiten eingesetzt. Am 4. November übertrat eine Einheit des nicaraguanischen Militärs den Fluss und pflanzte die nicaraguanische Flagge auf.

"La Nacion", die größte Zeitung Costa Ricas, berichtete am gleichen Tag, der nicaraguanische Kommandant habe den Einfall mit der Grenzabbildung auf Google Maps begründet, obwohl der korrekte Grenzverlauf in den offiziellen Karten beider Länder klar ersichtlich ist.

Sollte ausgerechnet der Software-Riese Nicaragua einen Bärendienst erwiesen haben? Die aktuelle Krise zwischen den beiden Ländern hat der tatsächlich falsch dargestellte Kartenverlauf jedenfalls erheblich beschleunigt. Auch die entschuldigende Richtigstellung des Konzerns konnte es nicht verhindern, dass die Organisation of American States (OAS) von Costa Rica zur Klärung des Konflikts angerufen wurde.

Am 6. November fanden zeitgleich Gespräche zwischen OAS-Vertretern und den beiden Staatspräsidenten statt. Costa Ricas Staatsoberhaupt Chinchilla zeigte sich hier bereits besänftigt und sprach von einer Lösung des Konflikts mit den "Mitteln des Dialogs und des Internationalen Gesetzes". Nicaraguas Präsident Ortega sähe allerdings lieber den Gerichtshof in Den Haag mit dem Fall beauftragt, statt der in seinen Augen US-lastigen OAS.

Spannungen gibt es zwischen den beiden Ländern bereits, seitdem die Grenze mit ihrem Verlauf auf dem Rio San Juan im Jahr 1858 ausgehandelt wurde. Dabei geht es zum Beispiel auch um die etwa eine Million nicaraguanische ArbeiterInnen der nur knapp 6 Millionen zählenden Gesamtbevölkerung des Landes, die teils legal, teils illegal in Costa Rica leben.

Trotz der engen wirtschaftlichen Beziehung zwischen Nicaragua und dem wesentlich stabileren Costa Rica gibt es auf politischer Ebene tiefe Gräben zwischen den sehr unterschiedlichen Präsidialrepubliken. Der Rechtsstreit über die Rechte beider Länder am Grenzfluss Rio San Juan währte Jahrzehnte und konnte im Juli 2009 nur durch ein Urteil des Internationalen Gerichtshofs beigelegt werden.

Der Rio San Juan entspringt am Nicaraguasee bei San Carlos und mündet bei San Juan de Nicaragua ins Karibische Meer. Der Fluss gehört fast auf seiner ganzen Länge zum nicaraguanischen Staatsgebiet. Erst etwa 25 Kilometer vor der Mündung teilt sich der Fluss in mehrere Arme und der größte Mündungsarm, der Rio Colorado, fließt auf costa-ricanischem Gebiet in das karibische Meer. Trotz des Gerichtsurteils von 2009 erhebt Costa Rica Anrechte auf die davor liegenden Teile des Flusses.

Für Google ist der Fall indes erledigt. Interessant ist wohl auch eher, dass auf Karten des Google-Konkurrenten Microsoft die Grenzführung zwischen den Staaten auch schon vor dem 4. November so dargestellt hatte, wie sie in den Verhandlungen von 1858 vereinbart, 2009 erneut bestätigt und auch bei den in den Streit- und Vermittlungsgesprächen vorgelegten Karten zu sehen waren. Bevor also demnächst der erste "Google War" ausbricht, werden hoffentlich noch alternative Karten konsultiert.

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