Newsrooms in Redaktionen: Die Mauer musste weg

Die Zukunft des Journalismus hat mit der Neuordnung der Räume in Redaktionen begonnen: Newsrooms und Content Desks haben Konjunktur. Doch als Sparmaßnahmen taugen sie nicht.

Bild: dpa

Die Zukunft des Journalismus kündigte sich hierzulande mit der Installation von 69 Flachbildschirmen und 3,6 Kilometer Strom- und Datenleitungen an. Diese Zukunft füllte 408 Quadratmeter im Axel-Springer-Haus, und man nannte sie dort: "Deutschlands größten integrierten Newsroom".

Dort werden seit 2006 Welt, Berliner Morgenpost, Welt am Sonntag und die zugehörigen Onlineangebote geplant und verwoben. An langen Tischreihen, dem Balken, sitzen in schwarzen Anzügen die Chefs vor den 69 Flachbildschirmen und sprechen ab, welche Inhalte wie wann über welchen Vertriebsweg veröffentlicht werden.

Der Balken hatte Symbolwert. Er machte Printjournalisten endgültig klar, dass sie der schnellen Konkurrenz, die Onlinemedien darstellten, jedenfalls nicht mit beleidigten Besinnungsaufsätzen über die Vorzüge der gedruckten Zeitung beikommen würden. Für Redakteure, die lange nur für genau eine Publikation gearbeitet hatten, bedeutete die Veränderung, die hier im Gange war, dass sie verschiedene Kanäle zugleich würden bedienen müssen - von der Zeitung bis zum vor Kurzem noch von vielen so grimmig abgelehnten Weblog. So, das war nun nicht mehr zu leugnen, würde die Zukunft des Journalismus aussehen. Dafür würden Mauern fallen müssen, Mauern in den Köpfen und Mauern zwischen Redaktionsräumen. Die Zukunft würde mit der Neuordnung des Raums beginnen.

Also ordnen längst auch andere Verlage den Raum neu: In Hamburg soll - ein junges Beispiel - eine Zentralredaktion für vier Wirtschaftstitel des Verlags Gruner + Jahr entstehen, die Börse Online, Capital, Impulse und die Financial Times Deutschland bestücken soll; also Wochen-, Monats- und Tageszeitungspublikationen. Dafür werden Standorte in Köln und München aufgegeben. Und bei der WAZ-Gruppe soll es, so hat es sich eine Unternehmensberatung ausgedacht, einen gemeinsamen Content Desk geben, von dem aus WAZ, Westfälische Rundschau, Neue Rhein/Ruhr Zeitung und das WAZ-Onlineportals derwesten.de mit Inhalten beliefert werden. Im Gegenzug sollen die Redaktionen regionale Inhalte an den Content Desk liefern.

Skepsis ist in ausreichender Dosis vorhanden - auch begründete Skepsis. Denn mit diesen Konzepten ist in beiden Verlagen ein erheblicher Stellenabbau verbunden. Bei der WAZ-Gruppe sollen zudem die Produktionskosten pro Zeitungsseite sinken. Grundsätzlich, sagt Klaus Meier, Professor für Journalistik in Darmstadt, der sich mit Newsroomkonzepten beschäftigt, "können Newsrooms erfolgreich sein, dafür gibt es viele Beispiele". Er sagt allerdings auch: "Eine Grundvoraussetzung dafür, dass sie erfolgreich sind, ist, die Mitarbeiter mitzunehmen. Wenn ich diesen Prozess damit beginne, Leute zu entlassen, ist das jedenfalls ein schlechter Start." Mit einem Newsroomkonzept, schrieb er einmal, könne die Effizienz redaktioneller Arbeit zunehmen, "aber wer es als Sparstrategie versteht, ist in der Regel enttäuscht und stößt schnell an Innovationsgrenzen."

Redaktionen mit Effizienz

An dieser Stelle ist jedoch festzuhalten: Was bei WAZ und Gruner + Jahr geschieht, ist Teil einer größeren Entwicklung. "Die einen Redaktionen ziehen in neue Gebäude", sagt Meier, "die anderen bauen ihr altes Gebäude um." Aber: Die räumliche Veränderung ist zur Branchenbewegung geworden. Und deutsche Verlage haben dabei keineswegs eine Pionierrolle. Den wohl radikalsten "konvergenten Newsroom", in dem also unterschiedliche Mediengattungen zusammenwachsen sollen, präsentierte das dänische Zeitungshaus Nordjyske Medier, das in einer integrierten Redaktion Internetseiten, Tageszeitung, Gratiszeitung, Lokalradio und Lokalfernsehen produziert. Die Austria Presse Agentur bezog 2005 einen 1.600 Quadratmeter großen Newsroom, der Daily Telegraph in London entsteht in einem Großraum, der etwas kleiner als ein Fußballfeld ist. In den USA gehört die Tampa Tribune zu den experimentierfreudigsten Zeitungen. Und auch die New York Times bezog ein neues Gebäude, dessen Architektur die Integration von Print- und Onlinemedium ermöglichen sollte.

"Die Herausforderung besteht darin, zu verhindern, dass ein Medium darunter leidet, dass ein anderes von denselben Leuten gemacht wird", sagt Klaus Meier; dass also das eine Medium bevorzugt behandelt und das andere nur der Verpflichtung wegen mitgeschleift wird. "Man braucht, wenn verschiedene Medien zentral bedient werden sollen, starke Plattformmanager", sagt er. Nur so könne man das "Profil der einzelnen Plattformen bewahren, und darum geht es." Man brauche Blattmacher, die alle Inhalte im Blick hätten.

Was durchaus wörtlich zu verstehen ist. Im neuen Gebäude der New York Times etwa sitzen die Chefs nun im Zentrum statt wie einst in Eckkabuffs, wie man sie aus vielen Journalistenfilmen kennt. In den Kabuffs waren sie am besten abgeschottet. In der Mitte eines Großraumbüros dagegen sind sie am besten zu erreichen. Über das berühmte alte Gebäude der New York Times schrieb Nicolai Ouroussoff, der Architekturkritiker der Zeitung, nach dem Umzug in das Renzo-Piano-Gebäude etwas wehmütig: Es habe Charme. Nostalgie sparte er sich jedoch: "Seine labyrinthartig angeordneten Tischreihen und die Stapel vergilbender Zeitungen rochen nicht nur stark nach Tradition", schrieb er, "sondern sie schienen auch ein Anachronismus zu sein."

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