Neustart der Fußball-Bundesliga: Saubermänner des deutschen Fußballs
Die Funktionäre der Deutschen Fußball Liga können ihr Schicksal sorglos in die Hände von Politikern legen – und dabei ihre Hände in Unschuld waschen.
Der Maulkorb war die erste Hygienemaßnahme, welche die Deutsche Fußball Liga ihren Vereinen vor gut zehn Tagen verordnete. Bloß kein falsches Wort zur Wiederaufnahme des Spielbetriebs, das sich in Windeseile im ganzen Land verbreiten und das Wohl des Profifußballs gefährden könnte! In einem Schreiben an die Klubs bat DFL-Geschäftsführer eindringlich um Zurückhaltung. „Es darf nicht der Eindruck entstehen, der Fußball ignoriere in seiner Selbstbezogenheit die Realität.“
Ein interessanter Satz. Die Vereine, so der DFL-Wunsch, sollten ihre Forderungen nach einer Sonderstellung für den Fußball lieber für sich behalten. Schnell hat die DFL erkannt, dass in dieser existenziell bedrohlichen Krise nur selbstbezogene Realpolitik und kein Fundamentalismus hilft. Den Ernst der Lage hat Seifert am Donnerstag so umschrieben. Die Bundesliga könne der Kollateralschaden der Coronakrise sein.
Um das zu vermeiden, lässt die DFL nun den Eindruck entstehen, ihr Schicksal in die Hand anderer zu legen. Mediziner, Virologen und Politiker, so die Botschaft, haben jetzt das Sagen im deutschen Fußball.
Im Zuge der zahllosen Hygienemaßnahmen scheint Christian Seifert sogleich die DFL reinwaschen zu wollen. Am Donnerstag war es ihm ein Anliegen, einmal ganz grundsätzlich zu werden: „Wenn unsere Arbeit mit Missgunst begutachtet wird, dann verstehe ich das nicht. Was hat der Profifußball falsch gemacht?“
Gefahr durch Maskottchen gebannt
Geschickt spielt Seifert in der momentan angespannten Lage die Rolle des bescheidenen Zuarbeiters. Die DFL kann sich diese Zurückhaltung leisten.
Kein anderer Sportverband in Deutschland hätte die Finanzkraft, ein solch ausgetüfteltes Sicherheitskonzept, wie es unter der Leitung des DFB-Chefmediziners Tim Meyer entstanden ist, in Auftrag zu geben und umzusetzen. Geisterspiele würden künftig in einer Sicherheitsblase stattfinden, die trotz aller unvermeidbaren Anfälligkeit kaum gründlicher durchdacht sein könnten. Auch die Ansteckungsgefahr durch Maskottchen ist in dem 41-seitigen Regelwerk gebannt worden.
Auf die Unterstützung politischer Verantwortungsträger kann der Profifußball sowieso zählen. Speerwurf-Olympiasieger Thomas Röhler mag sich da noch so sehr über die Bevorzugung des Fußballs durch die Politik beschweren. Zu lange haben beide Seiten voneinander profitiert. Und in Zeiten, wo der Unmut in der Bevölkerung über coronabedingte Einschränkungen stetig wächst, kann sich die DFL sowieso sorgenlos in Obhut von Regierungsvertretern begeben. Das Grundrecht auf Fußball ist vermutlich nur wegen formaler Schwierigkeiten noch nicht im Grundgesetz verankert. Einschränkungen an dieser Stelle sind nur schwer vermittelbar.
Dass die Fußballfunktionäre nicht mit forschen Forderungen auftreten, ermöglicht es den Ministerpräsidenten und Bundeskanzlerin Angela Merkel, sich am 30. April als Hauptverantwortliche für den Neustart der Bundesliga wieder ein wenig zu profilieren. Mal zu geben, statt zu nehmen.
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Der DFL wäre damit auf kurze Sicht geholfen. Und wenn das mit Risiken versehene Projekt der Wiederaufnahme des Spielbetriebs schiefgeht, kann man darauf verweisen, die Verantwortung andern übertragen zu haben. Mit ihren TV-Partnern hat sich der Verband mit der Perspektive auf Geisterspiel auf eine Vorauszahlung der noch ausstehenden TV-Prämien geeinigt. Die Gefahr von Insolvenzen in den nächsten Wochen ist damit abgewendet.
Die Strategie der bescheidenen Realpolitik trägt aber auch weiter. Die Absage des Münchner Oktoberfests weist darauf hin, dass man vermutlich weit bis in die nächste Saison mit Bundesligaspielen ohne Publikum rechnen muss. Die DFL wird im kommenden Herbst wieder mit Virologen und Politikern ausloten und verhandeln müssen, wann womöglich die eng gesteckten Grenzen des Erlaubten weiter ausgedehnt werden können.
Die letzten Wochen haben gezeigt: Die Macht des Profifußballs ist groß genug, dass ihre Interessenvertreter sie scheinbar anderen übertragen können. Derweil können sie ihre Hände in Unschuld waschen.
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