: Neurose nett
■ Deutsches ohne Teutonik: Fred Is Dead und Der Heitere Himmel im Konzert
Fred Is Dead buchstabieren poetisch wie pathologisch. Das haben sie von den englischen Feingeistern Felt, die ihnen auch die eine oder andere Orgelpassage ausgeliehen haben. Angst vor kündigt der Titel ihres neues Albums alles andere als einladend an, und tatsächlich kreist jedes ihrer Lieder um Neurosen. Die Adoleszenz wird hier zum klinischen Zustand, aber der Songtitel „Gehirnerschütterung“erfaßt lediglich eine Gemütsverfassung.
Trotzdem findet sich keine Spur teutonischen Trübsinns in den metaphorisch geladenen Liedern. Manisch melancholisch müßte die Stimmung genannt werden, mit der die vier zu Werke schreiten. Da paßt es ins Bild, daß sie sich in ihrer Musik auf die besten Momente des Gitarrenpop der achtziger Jahre beziehen. Neben Felt, die bei dem Quartett eher als spirituelle Inspiration gedient haben dürften, blitzen vor allem die neuseeländischen Chills und die australischen Go-Betweens durch die verhangenen Kompositionen in Moll.
Das ist auch einer der Gründe, weshalb Fred Is Dead, die überwiegend auf deutsch singen, nie in die für Zicken empfängliche Ästhetik der Neuen Deutschen Welle abdriften. Kein Goldener Reiter, aber eine Krankenakte voll von alltäglichem Wahnsinn.
Auch bei Der Heitere Himmel aus Hamburg, die wie Fred Is Dead auf dem Landsberger Label Hausmusik veröffentlichen, lacht nicht immer die Sonne. Da sollten wir uns nicht von dem hübschen Namen in die Irre führen lassen. Obwohl die Songs ihrer gerade zirkulierenden Kassette eher den Charakter von Entwürfen besitzen, läßt sich ein überwiegend klischeefreier Gitarrenpop dahinter erkennnen.
Überzeugend ist die freie Interpunktion, die an Teenbeat-Formationen wie Liquorice oder Grenadine erinnert und die dem Gesang Raum läßt, Gedanken und Gefühle auch außerhalb der Norm-Vorgaben zu formulieren. Der kecke jazzige Baß und die gerne mal ausschlagende Gitarre übernehmen den Rest. Mit „Hände zusammen“haben die vier nicht mehr ganz jungen Menschen von Der Heitere Himmel auch einen klassischen Durchhalte-Song im Repertoire. Mit Fanfare und Mitsing-Refrain. Ein Hit ist das, aber den nehmen wir ihnen nicht übel.
Christian Buß
Do, 3. April, 21 Uhr, Marquee
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