Neuköllns neue Stadträtin für Bildung: "Reform vernünftig umsetzen"

Franziska Giffey ist erst 32 Jahre alt - und bereits Stadträtin für Bildung in Neukölln. Sie will ihre Politik immer auch aus ihrer Position als junge Mutter betrachten.

Grundschule, wir kommen: Franziska Giffey kann sich sehr gut vorstellen, dass ihr Kind einmal in Neukölln zur Schule geht. Bild: AP

taz: Frau Giffey, was ist es für ein Gefühl, als neue Bildungsstadträtin in die Fußstapfen einer Institution wie Wolfgang Schimmang zu treten? Sie sind nicht einmal halb so alt wie er.

Franziska Giffey: Das ist eine Mischung aus Respekt und Freude: Respekt vor der Herausforderung und Freude auf die vor mir liegenden Aufgaben und Möglichkeiten.

32, ist SPD-Mitglied, Diplomverwaltungswirtin und promovierte Politikwissenschaftlerin. Seit dem 1. September ist sie Bildungsstadträtin in Neukölln und damit Nachfolgerin von Wolfgang Schimmang. Franziska Giffey hat einen einjährigen Sohn und lebt im Bezirk Friedrichshain-Kreuzberg.

Sie haben bisher Politik mit Blick auf Europa gemacht, eine Zeit in Großbritannien gearbeitet - ist das nicht ein Rückschritt, sich jetzt wieder auf das Bezirkspolitische zu konzentrieren?

Nein. Meine Arbeit als Europabeauftragte des Bezirks in den vergangenen acht Jahren war die einer Schnittstelle zwischen der lokalen und der europäischen Ebene. Und gerade im Bereich Bildung und Integration gibt es viele EU-geförderte Projekte, die bereits jetzt unsere Arbeit hier im Bezirk unterstützen. Ich werde die Verantwortung für den Europabereich übrigens auch als Bildungsstadträtin behalten.

Werden Sie sich künftig eher darauf konzentrieren?

In der Bildungspolitik, wo gerade die Schulreform umgesetzt wird, ist ja derzeit sowieso mehr abzuwickeln als zu planen. Natürlich ist es schulpolitisch unser größtes Ziel, die Reform vernünftig umzusetzen, und es stimmt, dass die Weichen dafür bereits gestellt sind. Dennoch sehe ich viele Möglichkeiten, hier im Bezirk gute Lehr- und Lernbedingungen zu sichern, also die Rahmenbedingungen in den Schulen weiter so zu verbessern, dass diese gut funktionieren.

Die wichtigen pädagogischen Rahmenbedingungen bestimmt ja der Senat.

Aber wir im Bezirk sind diejenigen, die vor Ort am Puls des Lebens sind und täglich mit den Problemen, die wir in Neukölln haben, konfrontiert sind. Da kann ich, wenn ich mit Schulleitern oder Eltern spreche, ja nicht sagen: Ich bin nicht zuständig. Und wir können durchaus in der bisher sehr guten Zusammenarbeit mit der Senatsbildungsverwaltung und der Schulaufsicht unsere Interessen ins Bewusstsein rücken. Außerdem: Im Bereich der Schulsozialarbeit und anderer ergänzender Unterstützung sind wir in Neukölln bereits recht gut aufgestellt. Wir haben an 16 Grundschulen in Neukölln Schulstationen. Natürlich hätten wir gerne noch mehr, aber da stoßen wir als Bezirk an die Grenzen dessen, was für uns finanzierbar ist.

Ihr Sohn ist jetzt ein Jahr alt. Wird er mal in Neukölln zur Schule gehen?

Ich will, wie alle Eltern, das Beste für mein Kind - auch eine gute Schule. Und ich werde meine Politik immer auch aus meiner Position als Mutter betrachten: Was würde ich für mein Kind wollen? Wir haben hier in Neukölln Schulen mit einem sehr guten Angebot. Ich werde daran arbeiten, diese weiter zu unterstützen. Ich kann mir sehr gut vorstellen, dass mein Kind einmal hier zur Schule geht.

Wie ist Ihr Verhältnis zu Bezirksbürgermeister Heinz Buschkowsky, der mit steilen Thesen zur Bildungs- und Integrationspolitik immer wieder für Aufregung sorgt?

Ich arbeite schon seit vielen Jahren mit Heinz Buschkowsky zusammen. Für mich ist er ein politisches Vorbild, und ich komme sehr gut mit ihm aus.

Dann stehen Sie dem rechten SPD-Flügel "Aufbruch" nahe, dem auch der Neuköllner Kreisverbandsvorsitzende der Sozialdemokraten, Fritz Felgentreu, angehört?

Ich arbeite im geschäftsführenden Kreisvorstand der Neuköllner SPD mit Fritz Felgentreu zusammen, auch was bildungspolitische Schwerpunktsetzungen angeht. Der "Aufbruch" hat hier für Neukölln eine Reihe von politischen Zielen formuliert, die ich unterstütze.

Welche zum Beispiel?

Das konsequente Vorgehen gegen Schulschwänzer etwa. Wir haben hier im Bezirk Familien, wo wir nur mit einem gewissen Druck der Vernachlässigung von Kindern entgegenwirken können. Vernachlässigung ist auch, wenn Eltern nicht darauf achten, dass ihre Kinder regelmäßig zur Schule gehen. Ich denke aber, dass auch Elternarbeit und Sozialarbeit wichtige Beiträge leisten, um auf der weichen Schiene Überzeugungsarbeit zu leisten und die Eltern mit ins Boot zu holen.

Heinz Buschkowsky ist gegen Thilo Sarrazins Ausschluss aus der SPD. Und Sie?

Ich stehe für eine potenzialorientierte, nicht für eine problemorientierte Debatte. Ich glaube nicht, dass Sarrazins Buch für die Lösung der Probleme, die wir hier in Neukölln haben, förderlich ist. Wir haben hier ganz viele engagierte Menschen unterschiedlicher Herkunft und Glaubenszugehörigkeit, die jeden Tag dafür arbeiten, dass es in Neukölln besser wird. Diesen Leuten muss man den Rücken stärken. Das heißt nicht, dass man Probleme kleinreden soll. Dass wir Probleme haben, wissen wir alle - dass wir die angehen müssen, auch. Aber dafür haben wir hier auch unheimlich starke Ressourcen und Potenziale, das muss man anerkennen. Darauf will ich mich konzentrieren.

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