Neuköllner Nazi-Prozess: Baldiges Urteil erwartet
Zumindest gegen einen Angeklagten im Neukölln-Prozess könnte noch im Dezember das Urteil fallen. Die Beweislage für die Brandstiftungen ist dünn.
Vorgeworfen wird P. zusammen mit Sebastian T., die Autos des Linken-Politikers Ferat Kocak und des Buchhändler Heinz Ostermann angezündet zu haben. Gegen T. würde der Prozess fortgesetzt werden, um weiteren Vorwürfen, wie den Betrug bei Coronahilfen nachzugehen.
Erst mal aber wurde der Prozess nach mehreren Anträgen der Nebenklägerin vertagt. Sie will etwa einen Polizisten vorladen, der P. im Dezember 2020 festgenommen hatte. Laut diesem habe P. dabei die Brandstiftungen abgestritten und der Polizei unterstellt, seine DNA eingesammelt und am Tatort verteilt zu haben – da er „immer so viel rumrotze“. Dabei war an keinem der beiden Tatorte DNA gefunden worden. Dies spreche, so die Anwältin, dafür, dass P. an den Taten beteiligt war und vermutete, seine DNA dort verteilt zu haben.
Während die Beweislage für die Täterschaft der beiden Neonazis weiterhin dünn ist, hat der bisherige Prozessverlauf bewiesen, dass die beiden Angeklagten sich mehrfach über die späteren Opfer austauschten und diese auch ausspähten.
Auf frischer Tat ertappt
Gegen Sebastian T. kam am Montag weiteres belastendes Material hinzu. Gezeigt wurde ein Video, das ihn – zwei geladene Ermittler versicherten, ihn zu erkennen – dabei zeigt, wie er an einer Wohnadresse eines Antifaschisten versucht die Haustür aufzubrechen. Nachdem ihm das nicht gelang, sprayte ein Komplize Morddrohungen an die Fassade. In derselben Nacht im März 2019 waren an vier Adressen ähnliche Sprühereien aufgetaucht.
Das BKA hatte vor dem Haus von einem der Männer, der als „Antifa-.Hurensohn“ verunglimpft worden war, eine Überwachungskamera installiert.
Die Aufnahme des rechten Anschlags blieben allerdings monatelelang liegen und wurden später auch von den zuständigen Rechtsextremismus-Ermittlern nicht beachtet. Erst als die Generalstaatsanwaltschaft das Verfahren zum Neukölln-Komplex übernahm, stießen Ermittler bei einer erneuten Sichtung des Materials im Dezember 2020 auf das belastende Video.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Prozess zu Polizeigewalt in Dortmund
Freisprüche für die Polizei im Fall Mouhamed Dramé
Ex-Wirtschaftsweiser Peter Bofinger
„Das deutsche Geschäftsmodell funktioniert nicht mehr“
Leben ohne Smartphone und Computer
Recht auf analoge Teilhabe
Fall Mouhamed Dramé
Psychische Krisen lassen sich nicht mit der Waffe lösen
Fake News liegen im Trend
Lügen mutiert zur Machtstrategie Nummer eins
Ex-Mitglied über Strukturen des BSW
„Man hat zu gehorchen“