Neues zur Schuldenberatung: Gläubiger sollen für Schuldner zahlen
■ Neue Wege in der Schuldenberatung erhoffen sich die Bremer Grünen
Die Bremer Schuldenberatung muss neue Wege gehen. Das zeigte eine Veranstaltung der Grünen am vergangenen Freitag – just an dem Tag, als die Waller Schuldenberatungsstelle aus Finanzierungsnöten dicht- machen musste (die taz berichtete). Derzeit verhandelt die Behörde mit den Trägern über neue Fallpauschalen, die den Beratungsstellen je nach Gläubigerzahl eine höhere Vergütung zumessen soll.
„Wir wollen eine leistungsgerechte Vergütung“, erklärte Dieter Wienstroer von der Sozialbehörde. Dafür wäre die Gläubigerzahl das entscheidende Kriterium, was die Fallintensität bestimmt. Diesen höheren Fallpauschalen haben bis auf die Straffälligenbetreuung zunächst alle Träger mündlich zugestimmt. „Damit können wir leben“, signalisierte bereits die Caritas. Auch Ulf Groth vom Förderverein Schuldenberatung im Lande Bremen (FSB) empfand die höhere Pauschalierung als „einen Schritt in die richtige Richtung“.
Beratungsstellen mit schwierigem Klientel allerdings können trotz Neuverteilung der Gelder große Probleme bekommen: Die Bremische Straffälligenbetreuung will deshalb jetzt nachverhandeln. „Ich hoffe, diese Zahlen sind nicht das Ende der Fahnenstange“, erklärte deren Schuldenberaterin Anja Stache. Denn gerade wegen der schwierigeren Klienten und längeren Beratungszeiten würde die Strafgefangenberatung nach den neuen Pauschalen pro Jahr ein Minus von 14.000 Mark einfahren.
Die Grünen dagegen fordern eine neue Struktur für die Schuldenberatung: Weg von der Fall-Pauschalierung, denn „damit können die Beratungsstellen nicht leben und nicht sterben“, erklärte Karoline Linnert. Gerade weil sich die Fälle stark unterscheiden, sei eine Fallpauschalierung untauglich. Vielmehr müssten die Beratungsstellen eine feste Pauschale bekommen, damit sie auch Risiken einkalkulieren können.
Auch Ulf Groth von der FSB und der Berliner Berater Wolfgang Münzner fordern ein Umdenken in der Finanzierung der Schuldenberatung. Zum Beispiel könnten die Gläubiger die Arbeit der Schuldenberatung mitbezahlen. „Bislang sind die Gläubiger doch Nutznießer unserer Arbeit, dass wir ihnen die Rückzahlungen organisieren“, erklärt Münzner.
Ein anderer Knackpunkt ist das Insolvenzverfahren, nachdem eine außergerichtliche Einigung scheiterte: Bislang muss ein Verschuldeter in Bremen 4.000 Mark auf den Tisch legen, damit das Gerichtsverfahren überhaupt beginnen kann. In anderen Bundesländern geht der Prozesskostenvorschuss schon ab 2.000 Mark los. Dennoch wird Sozialhilfeempfängern in Bremen keine Prozesskostenhilfe gewährt. Die Folge: Nur 46 haben dafür einen Antrag gestellt. Auch das sieht in anderen Ländern anders aus: „Wenn meine Klienten in Delmenhorst wohnen würden, wäre ein Insolvenzverfahren kein Problem“, berichtet die Beraterin Stache.
Prozesskostenhilfe allerdings würde manche Länder teuer zu stehen kommen: Rund vier Millionen Mark müsste Bremen dafür ausgeben, schätzt die grüne Sozialpolitikerin Karoline Linnert. Der Bund berät deshalb, ob der Prozesskostenvorschuss den Schuldnern nicht gestundet werden könne, erklärt Wienstroer.
Auch im Gericht müsste sich einiges ändern, fordert Amtsrichter Heinrich Schnitger. Langwierige Insolvenzverfahren wären in vielen Fällen eine „Vergeudung von Ressourcen“, erklärt Schnitger. „Wenn absehbar ist, dass es kein Geld gibt, muss es ein ganz kurzes Verfahren geben.“ pipe
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