Neues Wohnkonzept für Flüchtlinge: Man darf ruhig kleiner denken
Friedrichshain-Kreuzberg hat eine Machbarkeitsstudie vorgestellt, wie Flüchtlingswohnen und Integration zusammengehen können. Ein Wochenkommentar.
Für eine richtig gute Idee hält sie wohl niemand: Massenunterkünfte für 400 bis 500 Flüchtlinge an ein und demselben Ort. Man muss kein „besorgter Bürger“ sein, um zu erkennen, dass die lokale Integration von so vielen NeubürgerInnen mit sprachlich-kulturell ganz verschiedenen Backgrounds für jede Nachbarschaft eine – vorsichtig formuliert – große Herausforderung ist. Dennoch gibt es von solchen Unterkünften Dutzende in der Stadt – und es sollen sogar noch mehr werden, wenn es nach dem Senat geht.
Aber was passiert, wenn es in den Kiezen und Bezirken Widerstand gibt? Und wenn der Widerstand nicht von ressentimentgetriebenen „Wutbürgern“ kommt, sondern von Leuten, die durchaus mit Flüchtlingen leben, sie in ihrer Mitte aufnehmen wollen – aber nicht selber dafür verdrängt werden wollen, weil es so viele sind?
Die Menschen, die auf dem Areal Ratiborstraße 14 arbeiten, versuchen seit fast einem Jahr diesen Spagat hinzubekommen: mit einem Konzept, das maximal 150 Flüchtlingen Wohnraum bietet, ihr bestehendes Gewerbe erhält – und vielleicht sogar Arbeitsmöglichkeiten für die neuen Nachbarn bietet. Diese Woche hat Bezirksstadtrat Florian Schmidt (Grüne) von Friedrichshain-Kreuzberg die Machbarkeitsstudie vorgestellt, die erklärt, wie das gehen kann.
Klar ist: Damit solche Projekte, die sehr sinnvoll scheinen, möglich werden können, braucht es mehr Raum. Denn wenn die Bezirke kleiner bauen wollen – in Mitte denkt man in dieselbe Richtung wie in Kreuzberg –, brauchen sie mehr als zwei Standorte. Denn die Vorgabe des Senats, dass jeder Bezirk rund 1.000 Plätze bauen soll, ist angesichts der Wohnraumknappheit in der Stadt ja ebenfalls sinnvoll.
Der Senat sollte keinen Zeitdruck machen
Wie Baustadtrat Schmidt der taz nun am Freitag sagte, hat sein Bezirk in der Tat drei weitere Grundstücke für kleinere MUFs– die Modularen Unterkünfte für Flüchtlinge – im Visier. Für diese drei müssten nun, ähnlich wie für die Ratibor, individuelle Konzepte entwickelt werden, was dort jeweils möglich und integrationspolitisch sinnvoll ist.
Das aber braucht Zeit. Der Senat sollte daher nicht darauf bestehen, dass die Bezirke das ursprüngliche „Masse statt Klasse“-Konzept umsetzen müssen, das in Zeiten voller Turnhallen geschrieben wurde und die Stadt mit Großunterkünften zupflastern wollte. Heute kommt es darauf an, neu ankommende Menschen – so viele sind es ja nicht mehr – gut und langfristig unterzubringen. Das Konzept Ratibor könnte dafür in der Tat eine Blaupause sein.
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