Neues Onlinemagazin „Refinery29“: „Cosmopolitan“ mit Achselhaar
Das Onlinemagazin „Refinery29“ zielt auf die Gruppe der jungen, modernen, gut verdienenden Frauen. Feministisch will man aber nicht sein.
„Veganes Gemüse-Sushi“, „7 Looks zum Nachshoppen“, „Die zehn kreativsten Hochzeitstorten“ – auf den ersten Blick hat man nicht den Eindruck, dass es sich bei Refinery29 um ein frisches, alternatives Frauenmagazin handeln soll. Dann aber ist doch etwas anders: Ist das da ein lesbisches Brautpaar? Eine schwarze Frau? Eine Frau mit Achselhaaren?
Die Zielgruppe der jungen, emanzipierten Frauen, die sich kalorienarme Kochrezepte und Promiklatsch nicht als Journalismus verkaufen lassen will, wird schon von vielen Seiten bespielt. 2014 startete mit Edition Fzum ersten Mal auf dem deutschen Markt ein Onlineportal mit Lifestylethemen für die karriereorientierte Frau. Seit dem vergangenen Jahr erscheint bei Gruner + Jahr vierteljährlich Barbara,ein Lifestyle-Magazin, das sich gegen das Schlankheitsparadigma der Zeitschriftencover stellt. Und seit März gibt es den Vice-Ableger Broadly,ein Newsportal mit Frauengeschichten jenseits von Mode und Beautytipps.
Im Juni ist nun Refinery29 als Magazin für Frauen zwischen 18 und 34 online gegangen. Das US-amerikanische Vorbild existiert bereits seit zehn Jahren und hat inzwischen einen geschätzten Unternehmenswert von 290 Millionen US-Dollar. Den deutschen Ableger plant und bestückt jetzt ein zehnköpfiges Team unter der Leitung von Geschäftsführerin Nora Beckershaus und Chefredakteurin Claudia Zakrocki.
Zunächst erscheint die Seite als altbekannter Mix: Reisen, Mode, Ernährung, Romantik. Dazwischen finden sich jedoch auch Artikel zu aktuellen politischen Ereignissen – wie dem Umgang mit der jüngsten Welle von Anschlägen und Amokläufen in Deutschland und Frankreich oder die Flüchtlingspolitik Angela Merkels.
Besonders den Fall um die mutmaßliche Vergewaltigung des Models Gina-Lisa Lohfink machte sich Refinery29 als Thema zu eigen, positionierte sich als Teil von „Team Gina-Lisa“ und prangerte in seinen Artikeln die patriarchalen Züge des deutschen Sexualstrafrechts an.
„Gleichberechtigung und female empowerment“
Als feministisch will sich das Team von Refinery dennoch nicht bezeichnen. Stattdessen gehe es um „Gradlinigkeit, meinungsstarke Stücke für Frauen und eine weibliche Perspektive“, so Chefredakteurin Claudia Zakrocki. „Gleichberechtigung und female empowerment gehören klar dazu.“ Empowerment, konkretisiert Geschäftsführerin Nora Beckershaus, bedeute, „Frauen in ihrer Individualität und ihren Entscheidungen zu stärken und in ihrem Facettenreichtum abzubilden“.
Zu diesen Entscheidungen gehören nicht zuletzt Kaufentscheidungen. Refinery29 finanziert sich über sogenannten Branded Content, Produktwerbung, die in Form von Geschichten daherkommt. Dieser Markenjournalismus erscheint auf Refinery29 zwischen den redaktionellen Beiträgen. So präsentieren sich in einer Interviewserie, die von dem Sportbekleidungshersteller Nike gesponsert ist, prominente Frauen wie Lena Meyer-Landrut in den neuesten Turnschuhen der Firma.
Auch in redaktionellen Stücken, für die nicht bezahlt wurde, geht es immer wieder um Produkte. Letztlich drängt sich der Eindruck auf, dass die junge, emanzipierte Frau ihre Selbstverwirklichung nicht mehr über Mann und Familie, sondern über Reisen und Kosmetik erlebt.
Refinery29 folgt damit einem bewährten Prinzip: Ein „wir“ wird proklamiert und eine Identifikationsmöglichkeit geboten. Das macht empfänglich für Produktwerbung. Das ist nicht anders bei Brigitte, bei der freundin, bei der Bunten. Anders ist nur, dass die junge, erfolgreiche Frau, die bei Refinery29 angesprochen werden soll, Wert aufs Emanzipiertsein legt.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!