Neues Institut für Digitalforschung: Im Treibhaus der Digital-Gesellschaft
In Berlin wurde das „Einstein Zentrum Digitale Zukunft“ eingeweiht. Einen Großteil der Finanzierung übernimmt die Industrie.
Voller Stolz konnte Berlins Regierender Bürgermeister Michael Müller, zugleich amtierender Wissenschaftssenator, das rote Einweihungsband im Robert-Koch-Forum inmitten des Regierungsviertels durchschneiden: „Hier ziehen Wissenschaft, Wirtschaft und Politik an einen Strang, um die Brain City Berlin zu einem international führenden Hotspot der Digitalisierung zu machen.“
Einer der Industrievertreter, Ulrich Hartmann, Geschäftsführer der Bundesdruckerei, setzte noch eins drauf, als er von „Berlins herausragender Stellung in Deutschland als digitales Entwicklungslabor und Treibhaus einer digitalisierten Gesellschaft“ sprach. Der digitale Minderwertigkeitskomplex gegenüber dem bajuwarischen Konkurrenten ist offiziell beendet.
Entstehung und Umsetzung des „Einstein Center Digital Future“ (ECDF) als Patchwork-Forschungszentrum sind durchaus innovativ. Den Stein ins Rollen brachte ein Medienmann, Sebastian Turner, Herausgeber des Tagesspiegels, als er nach der gescheiterten Olympiabewerbung der Hauptstadt einen nachdenklichen Kommentar schrieb: Berlin brauche neue Ziele, wie wäre es mit 100 neuen Informatikprofessuren?
Berlin Digitalstrategie
Die Idee verfing. Senatschef Müller setzte mit der TU Berlin einen Thinktank für eine Digitalstrategie der Berliner Wissenschaft ein. Der Plan sieht jetzt die Schaffung von 50 neuen Digital- und IT-Professuren an den Berliner Hochschulen vor, die sich zu interdisziplinären Projekten im ECDF zusammenfinden. Die Themen reichen von Smart Cities, digitaler Bildung, Bioinformatik, personalisierter Medizin, semantischer Datenintelligenz bis zum Internet der Dinge und Wearable Technologies. Auch Abwassertechnik 4.0, Digitalisierung der Arbeitswelt und multikulturelle Aspekte sind Themen der neuen, überwiegend Juniorprofessuren für sechs Jahre, auf die es bisher 300 Bewerbungen aus 70 Ländern gab.
Kern des Modells ist die Finanzierung über eine „Public Private Partnership“, mit der bis zum Jahr 2023 insgesamt 38,5 Millionen Euro bereitgestellt werden: 8,5 Millionen von den Wissenschaftseinrichtungen selbst (vier Unis und acht außeruniversitäre Institute), 12 Millionen von den Unternehmen und anderen externen Beteiligten (so finanzieren zwei Bundesministerien jeweils eine Professur) sowie 18 Millionen Euro durch Sondermittel des Senats.
„Die Kooperation aus öffentlicher Hand und privatwirtschaftlichen Akteuren ist in dieser Dimension sicherlich einmalig“, unterstreicht Günter Stock als Präsident der Einstein-Stiftung, die die Gelder einsammelt und an die Universitäten verteilt. Das soll den direkten Einfluss der Unternehmen auf die Unis abpuffern.
Erste förmliche Kooperationsverträge hat die Bundesdruckerei mit der Freien und der Wissenschaftsverlag Elsevier mit der Humboldt-Universität abgeschlossen. Weitere Wirtschaftspartner sind die Berliner Wasserbetriebe, Cornelsen, Intel, SAP, Telekom und Viessmann. Erster Juniorprofessor des Zentrums ist der Informatiiker Florian Tschorsch, der zur Privatheit im Internet forscht.
In den Räumen in der Wilhelmstraße, in der 2014 die Humboldt-Viadrina School of Governance von Gesine Schwan pleiteging, ohne vom Senat gerettet zu werden, ist wieder Aufbruchstimmung eingekehrt. Um den IT-Konkurrenz-Standort München einzuholen, ist aber noch eine ordentliche Strecke zurückzulegen, vor allem in Richtung wirtschaftlicher Anwendung.
Zum Vergleich: Im Februar hat in der Bayernmetropole IBM sein neues „Watson“-Zentrum für das Internet der Dinge mit 1.000 Beschäftigten eröffnet. Kostenpunkt: 200 Millionen Dollar. Einen Monat später startete Microsoft in München sein Insider-Lab für Künstliche Intelligenz. Digital ähnelt Fußball: Die Bayern zu schlagen ist nicht so einfach.
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