Neues Google-Handy vorgestellt: Superphone oder nur ein Klon?
Mit dem "Nexus One" hat der Netzriese Google sein erstes eigenes Handy vorgestellt und will es gegen das iPhone positionieren. Ob das klappt, muss die Praxis zeigen.
Wenn es nach Google geht, soll man das "Nexus One", das der Internet-Konzern am Dienstagabend vorstellte, nicht mehr Smartphone, sondern großspurig ein "Superphone" nennen. "Das Handy zählt zu einer neuen Klasse von Geräten", ließ sich Google-Mobilfunk-Manager Andy Rubin zitieren und sparte auch mit anderen Superlativen nicht - darunter der Information, dass der eingebaute Hauptprozessor der Telefonier-Flunder "so schnell wie der eines Laptops von vor drei bis vier Jahren" sei, also durchaus flott.
Es geht bei Googles Mobilfunkvorstoß, den Marktbeobachter eigentlich schon viel früher erwartet hatten, um vieles: Das erste Handy, das der Netzriese unter eigener Marke auf den Markt bringt, soll endlich Apples erfolgreichem iPhone Konkurrenz machen. Ein Unterfangen, das anderen Herstellern von Geräten mit Googles "Android"-Betriebssystem, von denen es inzwischen mehr als ein halbes Dutzend gibt, bis dato nicht gelang.
Im Gegensatz zu all diesen Handys setzt Google beim Nexus One auf eine zweistufige Strategie: Man kann das Gerät bei Google selbst ohne Pflichtvertrag erwerben oder es von einem Mobilfunkpartnern beziehen. Das wird anfangs unter der einprägsamen Adresse www.google.com/phone in den USA, in Großbritannien, in Hong Kong und Singapur möglich sein. Etwas später sollen auch andere Regionen folgen. In Deutschland ist eine Kooperation mit Vodafone geplant. Dass es das Nexus One aber überhaupt "direkt" gibt, ist etwas Neues - so wird man beim iPhone in vielen Ländern, darunter auch in Deutschland, mindestens zwei Jahre an einen Mobilfunkkonzern gekettet.
Ganz billig ist der Spaß allerdings nicht. Wer das Nexus One vertragsfrei haben will, zahlt 530 Dollar - das ist fast so viel, wie das erste iPhone bei seiner Einführung 2007 kostete. Massenmarkttauglicher sind dagegen die mit Vertragspflicht angepeilten 180 Dollar. In den USA wird der erste Partner T-Mobile sein, anschließend vermutlich Verizon folgen.
Die Hardware des Nexus One, das in einer Vorabversion vor einigen Tagen bereits in die Hände eines viel gelesenen Gadget-Blogs fiel, erntet Lob: Das Gerät ist das bislang schnellste Android-Handy, bietet ein überarbeitetes Betriebssystem, lässt sich tatsächlich sinnvoll über Sprache steuern (sogar bei Internet-Suchanfragen), bietet eine hochauflösende Kamera und einen größeren Bildschirm als das iPhone. Die Bedienung erfolgt auch hier per Touchscreen, der Speicher liegt mit 4 Gigabyte unter dem des Apple-Konkurrenten (16 bis 32 GB), lässt sich aber immerhin erweitern, was beim iPhone nicht möglich ist.
Insgesamt ist das Nexus One eher unaufdringlich, es erweitert bestehende Konzepte und wetzt einige Scharten aus, die andere Android-Handys noch besitzen. Das mangelnde Spektakuläre sorgte im Netz allerdings für Kritik. So schrieb der IT-Journalist Fred Vogelstein bei "Wired News", Google habe quasi "einen iPhone-Klon zwei Jahre zu spät" eingeführt. "Das ist ein reines "Me Too"-Produkt."
Der renommierte Gadget-Tester Walt Mossberg vom "Wall Street Journal" war schon freundlicher und attestierte, dass Google endlich einen echten iPhone-Konkurrenten geliefert habe. "Wo andere Android-Handys noch steckenblieben, läuft nun alles glatt." Schlecht sei allerdings, dass Google noch immer nicht das Limit bei den installierbaren Zusatzprogrammen (Apps) gekappt habe. Dafür stehen nur 190 Megabyte zur Verfügung, während das iPhone fast seinen ganzen Speicher von 16 oder 32 Gigabyte mit Anwendungen zupacken kann. Das führt dazu, dass etwa komplexe Spiele erst gar nicht Android-tauglich sind. Außerdem habe Apple noch immer viel mehr Apps - rund zehn Mal so viel.
Das Nexus One wird vom taiwanesischen Hersteller HTC hergestellt, der mit Google laut eigenen Angaben eng zusammenarbeitete. HTC bietet schon länger Android-Handys an - und dürfte der einzige Hersteller sein, der sich über Googles direkten Markteintritt freut. Andere Android-Nutzer wie Samsung, Motorola oder demnächst Sony Ericsson könnten nun das Gefühl bekommen, dass der Besitzer des Betriebssystems alle ausstechen will.
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