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Neues Album von Róisín MurphyLeiterin der Baustelle

„Take Her Up To Monto“ experimentiert mit elektronischen Sounds. Die unterkühlten Songs zeigen die Irin auf der Höhe ihres Schaffens.

Nicht mit Bauhelm sondern einer Art Buttercremetorte auf dem Kopf: Róisín Murphy beim Melt-Festival Foto: imago/itnop.net

„Wären beide Alben Zwillinge“, sagt Róisín Murphy‚ ,Hairless Toys‘ wäre das nette, unkomplizierte Kind und ,Take Her Up to Monto' das problembeladene.“ Letztes Jahr veröffentlichte die irische Künstlerin nach längerer Pause ihr drittes Soloalbum, „Hairless Toys“. Die Sessions mit ihrem musikalischen Partner Eddie Stevens waren so ertragreich, dass gleich Material für ein weiteres Album entstand. Mit „Take Her Up To Monto“ präsentiert die Sängerin – in den neunziger Jahren markante Stimme des Elektropop-Duos Moloko –, nun Teil zwei der Aufnahmen.

Auf den ersten Blick wirkt „Hairless Toys“ tatsächlich gefälliger: Murphy posiert auf dem Cover mit gefönter Fransenfrisur und in adrettem Kleid. „Take Her Up To Monto“ zeigt die 43-Jährige dagegen in Sicherheitskleidung und Bauarbeiterhelm auf einer Großbaustelle. Ein eigenartiger Fremdkörper. Im Booklet sind die Texte untermauert von E-Mails, in denen sich Murphy und Stevens über die Produktion verständigen. Sie mokieren sich über das Management und erarbeiten Promo-Strategien – auf dieser Baustelle ist Murphy die weisungsgebende Leiterin.

Die Atmosphäre auf beiden Alben zeugt aber doch von enger Verwandtschaft. Auch die Uptempo-Songs auf „Take Her Up To Monto“ wirken entschleunigt, Murphys äußerst variable Stimme hat immer genügend Raum, um die Songs mit mehrere Bedeutungsebenen auszustatten. Murphy dosiert ihre ausdrucksstarke Stimme vorsichtig.

Passend zum Baustellenbild gibt Róisín Murphy an, das Album sei „über das London, in dem ich lebe, es geht viel über Architektur, über den Bauboom und die nahe Zukunft“. Der groß gedachte Aufbau der Songs findet in Hochhaussolitären eher seine Entsprechung als in Red-Brick-Häuserreihen. Murphy verweigert sich klassischen Songstrukturen, es gibt keine catchy Refrains, die undurchsichtigen Texte ließen sich auch gar nicht in Versformen pressen.

Dass sie dem klassischen Popsong entsprechen kann, ja durchaus etwas hinzuzufügen hat, bewies sie 2014 eindrucksvoll mit dem Werk „Mi Senti“. Darauf covert sie mit schmachtend-kühler Stimme und elektronischer Auskleidung italienische Hits der Sechziger und Siebziger wie Lucio Battistis „Ancora Tu“.

Schlingernder Puls

Die Eigenkomposition „In Sentesi“ – eine Zusammenarbeit mit ihrem Mann Sebastiano Properzi und Eddie Stevens – fügte sich reibungslos in die zeitlose Italo-Songauswahl ein. Auf „Take Her Up To Monto“ experimentiert sie ähnlich einfallsreich mit Sounds. Der Auftaktsong „Mastermind“ ist ein housy Discotrack, Murphy wirkt, als sei sie mit einer Rakete auf einem fernen Planeten gelandet und versuche, das Raumschiff nun wieder für den Rückflug flott zu kriegen. Hydrauliksounds und ein schlingernder elektronischer Puls, befeuert von ruhelosen Syndrums, erwecken den Eindruck, dass es Komplikationen gibt.

Das Album

Róisín Murphy: „Take Her Up To Monto“ (Play It Again Sam)

„In Pretty Gardens“ beschreibt sie mal mit knarziger, mal zerbrechlicher Stimme ihre Unzulänglichkeiten, zum prononcierten männlichen Backgroundchor tanzt ein Fernsehballett vorm geistigen Auge. Das sparsame „Thoughts Wasted“ würde in den Score eines schrägen Siebziger-Jahre-Arthousefilms aus Italien passen. Jede Regung wird wahrgenommen, nur ein wenig gedämpft, als würde man sich knapp unter der Wasseroberfläche befinden. Genauso beim Bahia-Elek­tro­swing-Song „Lip Service“, hier kommen noch die Sonnenstrahlen hinzu, die sich durchs Wasser brennen.

Murphys Stimmmodulationen wie die einfallsreichen Arrangements der Backgroundstimmen zeugen in allen Songs von entspanntem Selbstbewusstsein und vertracktem Humor. Der allzu progressiv geratene Track „Nervous Sleep“ wird von einem Puls angetrieben, der somnambulen Hörerinnen bekannt vorkommt. Ein Herzklopfen, das einen vom Schlaf abhält, wenn man auf der falschen Seite liegt. Mit verletzlichem Torchgesang erklärt sie in „Sitting and Counting“ jemandem ihre Liebe, klackernde Pianosounds arbeiten gegen eine verfremdete Orgel an, die während einer schrägen Messe in einer nordenglischen Holzkirche die Gemüter der Gemeinde milde stimmt.

Der Album-Titel ist einem irischen Folk-Song entlehnt, den Murphys Vater ihr einst vorgesungen hat: „Er ist sehr einfach. Aber sehr kompliziert.“ Einen treffenderen Titel hätte Róisín Murphy nicht finden können.

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